Geschrieben von: Bernward Loheide |
Viele Menschen in Deutschland glauben, dass es Hexen gibt oder zumindest im Mittelalter gegeben hat. Diesen, von den Kirchen hochgespielten Aberglauben haben einst Tausende von Frauen mit dem Leben bezahlt. Denn Hexen haben nach christlicher Auffassung, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, essen kleine Kinder, vergiften Ernte und Vieh, zaubern Feuersbrünste und Hagelschlag herbei, mixen magische Medizin.
Um die frommen Christen vor diesen bösen Zauberinnen zu schützen, wurden nach Schätzungen von Historikern zwischen 1550 und 1650 allein in Westfalen etwa 10000 Frauen bei lebendigem Leibe „der reinigenden Kraft des Feuers übergeben“. Die Verfolgung ebbte ganz langsam erst nach Ende des Dreissigjährigen Krieges ab. Die 350-Jahr-Feier des Westfälischen Friedens 1998 ist für die Städte Osnabrück und Münster Anlass, auch der Frauen zu gedenken, die dem Hexenwahn zum Opfer fielen. Die Spuren dieses Wahnsinns sind in Osnabrück bis heute zu sehen: Verdächtige Frauen (und auch einige Männer) wurden in den heute 800 Jahre alten Bucksturm geschleppt und dort in einen sogenannten „Fussstock“ eingeklemmt. Wer nicht gleich gestand, wurde mit Daumenschrauben und Spanischen Stiefeln gefoltert. Besonders hartnäckigen „Leugnern“ rissen die Scharfrichter Finger- und Fussnägel ab. Erhalten ist auch der „Hexengang“ am Domplatz, durch den die Opfer zum Scheiterhaufen geführt wurden.
„Die schlimme Hexenverfolgung in Osnabrück ist bis heute nicht richtig aufgearbeitet“, kritisiert die Historikerin und Stadtführerin Birgit Schwartz. Sie fordert ein Denkmal am ehemaligen „Hexenbad“ an der Hase, wo Frauen zur „Wasserprobe“ gefesselt in den Fluss geworfen wurden. Wer unterging und ertrank, galt als unschuldig; wen das Wasser wieder an die Oberfläche „ausspuckte“, war angeblich vom Teufel besessen und wurde verbrannt. In Münster hat ein ähnlicher Vorschlag zum Gedenken der Opfer vor gut zwei Jahren einen erbitterten Streit ausgelöst. Ein Bezirksrat beschloss, eine neue Strasse nach Greta Bünichmann zu benennen, die 1635 als Hexe enthauptet wurde. In etlichen Leserbriefen und Resolutionen protestierten daraufhin Anwohner gegen diese Ehrung einer „mutmasslichen Kindermörderin und Kapitalverbrecherin“. „Umfragen zufolge glaubt jeder dritte Deutsche, dass es Hexen gibt“, sagt Sabine Alfing aus Münster. In ihrem Buch „Hexenjagd und Zaubereiprozesse in Münster“ beschreibt die Historikerin Ursachen des damaligen Hexenwahns: „Die Menschen waren durch Hungersnöte, Kirchenspaltung, Seuchen und Krieg verunsichert und suchten Sündenböcke.“ Der Westfälische Friede habe eine solche Krisenzeit beendet. So sei die Zahl der Hexenprozesse danach drastisch gesunken – schliesslich war die Bevölkerung durch den Krieg so sehr verarmt, dass sich das Hexenbrennen mit anschliessender Konfiszierung des Vermögens der Opfer für die Kirche nicht mehr lohnte. Wenig Verständnis hat die 39jährige für „esoterische Feministinnen, die heute in Vollmondnächten um ein Feuer tanzen und sich als wiedergeborene Hexen outen“. „Solche Spielchen“ verharmlosten die Brutalität der Hexenverfolgung: „Die auf den Scheiterhaufen verbrannten Frauen waren keine selbstbewussten, ganzheitlichen Priesterinnen heutiger Prägung, sondern ohnmächtige Opfer eines christlichen Aberglaubens.“
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