Da in alten Zeiten die Religion nicht zentral definiert war und auch nicht sein sollte, sehen wir heute lange Diskussionen um ihre Bedeutung. Grundsätzlich kann man zwei Lager erkennen: Den rekonstruktiven Ansatz und den anachronistischen. Anachronisten wollen wieder so leben wie die Wikinger im 9ten Jahrhundert. Rekonstruktionisten nehmen die Werte der Religion und erkennen an, daß die Zeiten und Sitten vorangeschritten sind. Grundsätzlich muß man daher einen Kern identifizieren, da Worte sonst ihren deskriptiven Sinn verlieren.
Da Asatru regional war und auch nur regional wieder voll aufleben kann müssen wir die regionalen Unterschiede in ihrem Wert erkennen und zugleich entdecken, welches der gemeinsame Kern von Asatru ist. Dann können wir unsere regionalen Asatrudialekte leben und genießen und wissen doch, daß wir eine globale Asatrugemeinde sind.
Generell hat der Kern von Asatru vier Punkte (englisch: Bedpost Theory): die Götter, die großen Gottesdienste, das tugendhafte Leben, und die historisch/archäologische Revitalisierung. Im folgenden sollen diese vier Kernpunkte etwas eingehender betrachtet werden.
- Asatru bedeutet die Bekenntnis zu den Göttern des Nordens. Dies sind die Asen und die Wanen. Individuell werden wir uns vielleicht mehr zu den einen oder den anderen hingezogen fühlen, akzeptieren aber müssen wir alle. Für uns Deutsche sind diese Götter bei Namen: Wotan, Donar, Saxnot (Tyr), Frigga, Freija, Loki, Bragi, Baldur, Wuldor, FroIng, Nerthus, Skadhi, Hulda, Hella, Sif, Hödur, Vali, und alle weiteren Asen und Wanen. Wichtig ist hier, daß der Glaube an die Götter nicht eine psychologisch-archetypische Angelegeneit ist, sondern der Glaube an eine Wesenheit die ausserhalb unseres Fassungsvermögens steht.
Neben den Göttern gibt es für uns Asatruar noch die Wesen der anderen sechs Welten – Asgard, Wanaheim, und Mittelgard sind ja schon genannt. Da wären also noch die Zwerge aus Schwarzalbenheim, die Alben aus Lichtalbenheim, unsere Vorfahren die nicht nach Asgard gingen oder wiedergeboren wurden sondern in Hel bleiben, die Bergriesen in Jotunheim, die Frostriesen aus Nebelheim und die Feuerriesen aus Funkenheim. Ferner gibt es noch Hauskobolde, Waldgeister, Wassernixen, Landgeister, Hügelalben und andere Wesen.
- Zweitens ist Asatrus Kern der Gottesdienst an den Großen Feiertagen. Dieser Gottesdienst wird oft Blot genannt und in ritualisierter Form begangen. Der Gottesdienst kann alleine oder in der Asatrugemeinde, dem Kindred, begangen werden. Spezielle germanische Priester (Godhi oder Gydhia) sind zwar nett falls anwesend, aber nicht zwingend notwendig. Das Blot kann von jedem asentreuen Menschen ausgeführt werden. Meist ist dies der Hausvater. Das Blotritual besteht normalerweise aus der Segnung des Hains oder des Heims mit dem rituellen Hammer durch das Hammerzeichen in die vier Windrichtungen, die Eröffunung durch eine kurze Einführung über den Zweck des Gottesdienstes und der Lesung aus einer Saga zu diesem Thema, einem kurzen Kommentar zum Thema, der Anrufung der Götter bei Namen und Beinamen, dem Eingiessen des Mets in das Horn und seiner Segnung, dem rituellen Hornumtrunk, der Weihung des Mets mit Ausgiessen als Opfer und letztlich der Schliessung des Gottesdienstes. Dieses Ritual wird dem entsprechenden Festtag (Jul, Ostern, Mittsommernacht, etc.) thematisch angepasst.
- Der dritte Kernpunkt Asatrus ist das Leben nach den neun edlen Tugenden. Diese Tugenden stellen ein Wertesystem dar, das wir in neuerer Zeit aus den alten Schriften destilliert haben. Die „Neun Edlen Asatru-Tugenden“ sind:
- Mut
- Recht
- Ehre
- Treue
- Eigenständigkeit
- Gastfreundschaft
- Fleiß
- Freiheit
- Durchhaltevermögen
Wie vollständig diese Liste ist sei dahingestellt. Sie ist keinesfalls schlecht. Alle Tugenden in ihr lassen sich mehrfach in den Sagas nachweisen. Ein Leben auf Grundlage dieser Tugenden hilft gutes Orlog zu schaffen. Jeder ist seines Glückes Schmied. Asatru ist eine Religion des Handelns, nicht des Reflektierens. Bestimmte Gedanken oder Wünsche sind im Asatru keine Sünde. Taten sind es, die unser Schicksal (Wyrd) legen. Taten können auch schädlich sein. Garnichts tun ist aber am dümmsten.
- Viertens und letztens müssen wir anerkennen, daß Asatru eine revitalisierte Religion ist. Wir leben Asatru auf der Basis dessen, was wir aus Literatur und Mythologie, aus Archäologie und Geschichte wissen. Natürlich können wir diese Fakten nicht einfach so nehmen und wie Wikinger raubend und mordend über das Meer ziehen. Die Zeiten haben sich geändert, aber die Grundwerte eben nicht. Daher gibt uns die Forschung Aufschluß über das Tun unserer Ahnen, aber wir müssen es mit dem Leben und den Sitten des 20ten Jahrhunderts füllen. Trotzem bleiben oft noch Lücken. Diese Lücken können wir dann nur mit kollektiver oder individueller Inspiration füllen. Das sollte aber immer der letzte Ausweg bleiben.
Neben diesen vier Kernstücken gibt es noch viele wichtige Bestandteile im Asatru: die Runen, Seidh, Galdorgesang, Spae, Heilige Haine, Utisetta, Familientraditionen, etc.
Es sei aber nocheinmal darauf hingewiesen, daß ohne die vier Kernstücke Asatru nicht sein kann.
Diese vier Punkte sind der Prüfstein.
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