Nun soll alles die Lebensauferstehung feiern und kräftigen helfen.

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„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.“

Diese jedem Deutschen vertrauten Verse schrieb Johann Wolfgang Goethe in seinem „Faust“ an jener Stelle, da der Enttäuschte und Verzweifelte neuen Lebenssinn zu spüren beginnt. Und könnte man Geschehen und Sinn dieser Zeit, da Erde und Mensch – gekräftigt von neuer Sonne – tiefer, treffender und inniger umschreiben als mit dem Wort „Hoffnungs-Glück“? Diese Hoffnung ist kein Flehen aus Angst und Klage, sondern ein Wissen um Segen und Frucht, das dem wachsenden Leben in allem dankbar bleibt. So bedeutet der „Frühlingsfeier freies Glück“, wie es in derselben Dichtung heisst, dem Menschen eine hoffnungsfreudige Sinngebung seines Lebens, das er in die waltenden Kräfte des Alls gebettet weiss.

 

Wenn man zu erfahren versucht, wie der innerste Glaube und wie das innerste Wissen eines Volkes um Leben und Tod, um Werden und Dasein beschaffen ist, soll man nicht nur und ausschliesslich das bäuerliche Brauchtum befragen in dem viel Erbtum unserer Vorfahren erhalten ist, sondern soll dieses Volk als ein Ganzes und Unteilbares sehen.

Auch unsere grossen Künstler sangen, malten oder musizierten das, was in der Seele ihres Volkes war und was demgemäss in gleicher Weise durch das bäuerliche Brauchtum zum Ausdruck kommt: Die Erde will zu neuem Blühen anheben, und der Mensch steht mitten darin in diesem urtümlichen ewigen Geschehen und bereitet sich voll ,,Hoffnungs-Glück“ auf das Kommende vor, in dem Gefühl, dass das Notwendige, ewig Gesetzte auch das Heilige und Sinnerfüllte ist.

So singt der Dichter – Friedrich Hölderlin: „Der du die Herzen verjüngst und Fluren, heiliger Frühling, Erstgeborner, Gewaltiger! Heil dir!“ Und zu dieser Verjüngung der Menschen und der Erde in der Frühlingsfeier ruft der deutsche Mensch, wie zu allen seinen Festen und Feiern, die verbundene Kraft der Elemente und die Kraft der Sonne zu seinem Wollen hinzu, weil er sich eins weiss in allem Blühen und Feind weiss aller kraftlosen Zerstörung.

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Denn alles soll nun diese Lebensauferstehung feiern und kräftigen helfen. Da ist das Feuer, das auch in diesen Tagen wieder in Holzstössen auf Bergen oder in der Ebene weithin brennt oder als Fackel funkensprühend über die Felder geworfen wird oder als gewaltiges, brennendes Osterrad die Hügel hinabbraust (..“als ob die Sonne vom Himmel herabfiel“, schreibt darüber ein Schriftsteller des 16. Jahrhunderts).

Da ist das Wasser, das weit durch alle Lande gerade in dieser Jungzeit des Jahres voller besonderer, reinigender Heil- und Segenskraft gewusst wird und das man sich frühmorgens und schweigend aus Quellen und Bächen schöpfen geht, um selbst daran zu wachsen, und es anderen zum Segen werden zu lassen. Da ist wieder der Baum und grünende Zweig, unvergängliches Sinnzeichen unserer Art, die in mannigfaltiger Weise diese Frühlingsanfangstage schmücken und zieren und ihnen zum schönsten Sinnbild erwachenden, blühenwollenden Lebens dienen.

Wie sonderlich diese Tage aber auf das Leben und auf das Wissen um Werden und Wollen des Lebens zielen, beweist ihr bekanntestes Gleichnis: Das Ei, das Osterei! Geburt und Erneuerung des Lebens in männlicher und weiblicher Gemeinsamkeit konnte nicht einfacher und doch nicht umfassender und sinnreicher zum wirklichen Ausdruck gebracht werden als in diesem altehrwürdigen Brauchtum um das Osterei – in den Spielen mit ihm, in dem Sich-Beschenken und in dem gemeinsamen Essen. Und wenn man sagt, der Hase habe die Eier gelegt, so mag diese zunächst eigenartige Erscheinung einer Verbindung von Hase und Ei (auch wenn erst verhältnismässig spät nachgewiesen) im Grunde auch nur ein Hinweis auf die gewünschte Fruchtbarkeit des Lebens sein, steht doch gerade der Hase, als ein Tier, das früh im Jahr seine Jungen wirft, mit vielen (zum Teil sehr alten) Bräuchen, Sagen und bildlichen Darstellungen mit der Fruchtbarkeit des Lebens in Verbindung. Seine heidnische Bedeutung wird daraus ersichtlich, dass die „Bekehrer“ den Genuss von Hasenfleisch mit hohen Kirchenstrafen belegten.

Das österliche Brauchtum unserer Vorfahren und heute unserer bäuerlichen Menschen kündet vom selben Sinn wie auch jene Stimmen unserer deutschen Dichter und Denker: Es ist der Glaube an den ewigen Willen des Lebens trotz Sturm und Kampf, trotz Not und Eis. Der grünende Spross ist stärker als jede Gegenmacht, weil Echtheit in ihm steht und Sonne mit ihm ist.