Kapitel II
Weder die Schriftstücke Christi noch die der Seemöve haben Eingang in die eingegebene Schrift gefunden (trotzdem einzelne Stellen den Verdacht erregen, als ob doch so etwas passiert wäre), und es ist demnach die gesammelte Schrift das ausschließliche Werk Jehovas und des Geistes, nur hie und da mit einer kleinen Nachhilfe des Banalgeschöpfes Hannes Schulze, dem „Erdenwurme”. Nach den Resten seiner geistigen Ergüsse zu urteilen, die Jehova uns gnädiglich zu gewährleisten herablassend genug war, darf man in ihm kein hervorragendes Talent erblicken. Wie hätte er auch ein Schriftsteller sein können!
Wer Tüchtiges leisten will, sei er Gott oder Mensch, muß sich umfassende Welt- und Literaturkenntnisse aneignen.
Um seinen Konkurrenten zu überholen, muß er unbesiegliche Selbstachtung und unbefleckte Reinheit moralischen Strebens sein eigen nennen. Er muß die Fähigkeit besitzen zu arbeiten, während andere müßiggehen, tätig zu sein, während andere schlafen; mit dem Selbstbewußtsein, das dem Talente oder vielleicht dem Genie entspringt, muß er eisernen Willen, unermüdliche Energie und edle, warme Menschenliebe vereinigen. Er darf der Geselligkeit huldigen, aber er hat keine Zeit, nichtigen Vergnügungen nachzujagen. Wenn wir uns so etwa die Eigenschaften eines Autors denken, der von Geburt dazu bestimmt ist, die schwankende Schlachtordnung menschlicher Ansichten in den Kampf zu führen, so muß zugegeben werden, daß Jehova wenige oder gar keine hatte, es sei denn, sein Biograph, der Geist, habe ihm schweres Unrecht getan.
Er ist eifersüchtig, unwissend, beschränkt und ermangelt gänzlich jener Gefälligkeit des Stils, welche das besondere Kennzeichen jener ist, die als Schriftsteller geboren und nicht dazu gemacht wurden – auf Grund der Voraussetzung, daß man aus Häckerling Gold machen kann. In bezug auf nichtige Spielereien war Jehova ein unverbesserlicher Tändler, der seine beste Zeit an Zeltplänen und Priestergewändern, Fransen und Leuchtern, Lichtputzen und Zangen verschwendete. Er wandte auch der Branche der Parfümerie seine Aufmerksamkeit zu und fabrizierte eine Art heiligen Haaröles, wozu er die Drohung aussprach, jeden zu töten, der etwas herstellte, das ähnlich röche; – das war seine Manier, ein Patent zu nehmen. Solcher Art sind die Dinge nicht, mit denen sich ein strebsamer Autor abgeben darf, und meine Offenheit zwingt mich zu gestehen, daß die zu einem Ganzen zusammengerollten drei Unergründlichen nicht imstande wären, das „Nibelungenlied” hervorzubringen, auch wenn ihnen von jener Durchschnittskreatur Hannes Schulze alle nur erwünschte Hilfe zuteil würde. Wie lange, o Gott, wie lange? Irgendwie wird Dir unrecht getan. Stehe auf und räche Dich!
Deine Schriften und diejenigen des Banalgeschöpfes Hannes Schulze bilden einen solchen Mischmasch, daß ich für meine Person ratlos dastehe, nicht wissend, was ich mit Andacht als das Deinige lesen soll, und was ich als untergeschobene Nachahmung Deines Stiles ansehen muß. Dir zum Lob und Preis überreiche ich hiermit eine Liste, die von Deinem gehorsamen Diener Dupin10) aufgestellt worden ist, und welche die Namen der Dir von Juden und Christen zugeschriebenen Bücher enthält.
Bücher, die jetzt von Juden und Christen als kanonische angesehen werden:
- Die fünf Bücher Moss
- Das Buch Josua.
- Das Buch der Richter.
- Das Buch Samuel oder Könige 1 und 2.
- Drittes und viertes Buch der Könige.
- Jesaias.
- Jeremias.
- Hesekiel.
- Die zwölf kleinen Propheten.
- Das Buch Hiob.
- Der Psalter.
- Die Sprüche Salomos.
- Ekklesiastikus.
- Das Hohelied Salomos.
- Daniel.
- Die Bücher der Chronik.
- Esra (in zwei Bücher getrennt).
Bücher, die ohne ersichtlichen Grund vom Kanon ausgeschlossen sind:
Bücher, die aus dem jüdischen Kanon ausgeschlossen sind und von einigen frühen Christen als apokryphisch angesehen werden, die aber kürzlich von der röm.-kathol. Kirche für kanonisch erklärt wurden:
- Baruch, Tobit, Judith, Weisheit, Ekklesiastikus.
- Die zwei Bücher der Makkabäer. D
- er Gesang der drei Kinder im feurigen Ofen.
- Die Geschichte der Susanna.
- Die Geschichte von Bel und dem Drachen.
Bücher, die nur von einigen Juden anerkannt und von anderen verworfen werden:
- Das Gebet Manassas (den Apokrypten beigefügt).
- Das dritte und vierte Buch Esra (ibid.)
- Das dritte und vierte Buch der Makkabäer in der Septuaginta.
- Die Genealogie Hiobs und die Rede seiner Frau, am Ende des griechischen Textes des Buches Hiob.
- Der 151.Psalm, am Ende der griechischen Psalmen.
- Ein Gespräch Salomos am Ende des Buches der Weisheit.
- Die Einleitung vor den Klageliedern Jeremiä, im gewöhnlichen lateinischen und griechischen Texte.
Andere apokryphische Bücher ähnlicher Art, welche verloren gingen:
- Das Buch Henoch.
- Das Buch der Assumtion Mose.
- Die Assumtion, Apokalypse, oder die Geheimnisse des Elias.
- Die Geheimnisse des Jeremias.
Schriften voller Fabeln und Irrtümer, die verloren gegangen sind:
- Die Erschaffung des Adam.
- Die Offenbarung Adams.
- Genealogie, oder Söhne und Töchter Adams.
- Chams Buch der Magie.
- Eine Abhandlung betitelt Seth.
- Die Assumtion Abrahams.
- Jetsira, oder über die Schöpfung; dem Adam zugeschrieben.
- Das Buch der zwölf Patriarchen.
- Die Reden Jakobs und Josefs.
- Die Prophezeiung des Habakkuk.
- Eine Sammlung der Prophezeiungen Hesekiels.
- Die Prophezeiung des Eldad und Medad.
- Die Abhandlung von Jannes und Jambres.
- Das Buch des Königs Og.
- Jakobs Leiter und mehrere andere Traktate.
Das ist eine Liste von anständigem Umfange, o Herr der Heerscharen! – aber dafür hast du auch die ganze Ewigkeit dazu gehabt, um soviel hervorzubringen. Doch, lieber Herr, ganz inter nos, sage mir, welche der obengenannten Werke du verbrochen hast, und an welchen du unschuldig bist. Es kommt mir vor, als habe ich einen kühnen Schwung im Buche Tobit entdeckt. Habe ich recht?
Da sind siebzehn Zeilen im Buche Gad, die ich dir angeben kann; wirst du mir ehrlich ins Gesicht schauen und deine Urheberschaft verleugnen? Ruth ist einzig und allein von dir; ganz deine Spezialität. Habe ich’s getroffen, o Hochbetagter? Den Brief deines Sohnes an Abgar halte ich für vollständig echt, um so mehr, da dein Sohn ja gar nicht schreiben konnte. Aus der Rede von Hiobs Weibe leuchten mir die Blitze aus der Feder des Allerhöchsten entgegen. Numeri ist von dir geschrieben worden, insbesondere das einunddreißigste Kapitel.
Mehrere Psalmen sind auch von dir, so z.B.: der Psalm der Flüche). Von dir ist auch ein großer Teil der Genesis, und zwar die beiden Schöpfungsberichte, welche sich platterdings widersprechen und trotzdem alle zwei wahr sind. Zu solcher Schreiberei ist zweifellos nur ein Gott fähig – ein Teufel mag sie verstehen. Für diese und andere Zeichen deiner Gnade mögest du uns die richtige Dankbarkeit finden lassen. So habe ich denn, o Schaddai, einiger Bücher gedacht aus der großen Masse derer, in welchen deine jüdischen und christlichen Anhänger Spuren von deiner Hand zu finden glaubten.
Aber voll tiefster Zerknirschung muß ich dir gestehen, o Herr, daß es da eine große Menge von Büchern gibt, in welchen ich nicht herausfinden kann, wo das Banalgeschöpf Hannes Schulze aufhört und der Jehova anfängt. O Adonai, gib, daß dein Geist in mich fahre und mich in meiner literarischen Kritik erleuchte, oder aber befestige meinen Glauben ad libitum. Ach wie gerne möchte ich der Flügel und der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig werden! Soll ich sie missen, weil ich nicht weiß, ob ich das Buch Susanna oder das Buch Og Herrn Hannes Schulze oder dir zuschreiben soll, o mächtiger Herr Israels? Mit geziemender Ehrerbietung möchte ich es dem Herrn nahelegen, doch besser aufzupassen, wenn er wieder mal ein Buch schreibt, welches für das Schicksal ungezählter Millionen bestimmend sein soll, und dafür zu sorgen, daß dieses Buch nicht verlorengehe oder vernichtet werde. Mit der Bibel ist er ganz und gar nicht vorsichtig gewesen.
Mehr als einmal hat er es geschehen lassen, daß sie ganz verschwand, um nachher von Erdenwürmern ganz nach deren Gutdünken wieder hergestellt zu werden. Im Anfange gab Gott das Buch den Juden zur Aufbewahrung: „Denn fürs erste sind ihm Gottes Aussprüche anvertraut”.
Sie durften es nicht lesen (mir scheint, er hatte die von lobenswerter Selbsterkenntnis zeugende Absicht, niemals die Öffentlichkeit damit zu beglücken), sondern mußten es in eine Lade aus Akazienholz legen. Diese Lade war eine Kiste voll heiligen Spielzeugs, für die er sich lebhaft interessierte. Dann und wann kam er herunter, um auf dem Deckel herumzutanzen oder vielmehr um als Schekinah – irgend etwas, das annähernd so viel Licht wie eine 500-Watt-Kerze gab – zu leuchten. „Nehmet das Buch dieses Gesetzes und leget es in die Seite der Lade des Bundes des Herrn, eures Gottes, daß er daselbst ein Zeuge sei wider dich”14). Wenn ein gewöhnlicher Sterblicher ein Buch schreibt, läßt er es sich angelegen sein, dasselbe allgemein bekannt zu machen. Ein Gott macht es anders. Der Herr befahl, daß sein Buch in die Lade gelegt werde, und die Lade mußte im heiligsten Raume der Stiftshütte oder des Tempels aufbewahrt werden, wo nur der Hohepriester Zutritt hatte. Übrigends war dieser Raum auch viel zu heilig, als daß der Priester ganz nach Belieben hätte hineingehen können, denn Aaron wurde gewarnt, „daß er nicht allerlei Zeit in das inwendige Heiligtum gehe hinter den Vorhang vor dem Gnadenstuhl, der auf der Lade ist, daß er nicht sterbe” (Levitikus XVI,2).
Daraus geht hervor, daß Jehovas wunderbare Ansichten über das „Schreiben” von Büchern nur durch die Merkwürdigkeit seiner Ideen in bezug auf die „Herausgabe” solcher übertrumpft werde. Seine Art der Veröffentlichung bestand darin, sein Manuskript in eine verschlossene Kiste zu legen und diese Kiste in einem abgeschiedenen Raum zu deponieren, zu dem nur eine Person Zutritt hatte, und das auch nur zu bestimmten Zeiten und unter großen Vorsichtsmaßregeln, um nicht auf der Stelle erschlagen zu werden. Diese Verlagsmethode ist wesentlich von der in München allgemein angewendeten verschieden, aber natürlich existiert ja ein himmelweiter Unterschied zwischen Jehova-Nissi im Himmel und Wilhelm Heyne in München, ebenso wie zwischen München und Kiriath-Harim. Die Leute zu Beth-Semes hatten vielen Forschersinn und einige derselben taten einstmals einen verstohlenen Blick in die Schachtel, in der der Herr sein Buch aufbewahrte. Aber derselbe Herr, dessen Sohn gesagt hat: „Suchet in der Schrift”, war nicht damit einverstanden, daß sein Buch und sein Kasten angeschaut würden; „Und Etliche zu Beth-Semes wurden geschlagen, darum, daß sie die Lade des Herrn gesehen hatten. Und er schlug des Volkes 50.000 und siebenzig Mann” (1.Sam.VI,19).
Es ist daraus ersichtlich, daß Jehova seinem Buche einige Wichtigkeit beimaß, da er 50.070 Mann erschlug, weil ein oder zwei davon die Hälse ausgereckt hatten, um einen Blick in das Receptakulum zu tun. Nochmals sei es gesagt: Jehovas Ideen über Publizistik sind ein klein wenig eigen. In Anbetracht dessen, daß es streng verboten war, das Buch des Gesetzes zu lesen oder gar sich demselben auf einige Schritte zu nähern, war es doch ganz nett von Jahve, herabzukommen, sich auf den Kistendeckel über seinem Buche zu setzen und mit Moses zu plaudern.
„Von dem Ort will ich dir zeugen und mit dir reden; nämlich von dem Gnadenstuhl zwischen den zwei Cherubim, der auf der Lade des Zeugnisses ist; alles was ich dir gebieten will an die Kinder Israels”.
Also stieg ein Jehova herab, um sich zu produzieren, um sich auf seine Holzkiste zu setzen, wie man es von den abgerichteten Affen auf den Leierkästen herumziehender Italiener sehen kann. Das war doch sicherlich herablassend von ihm. Das Geschäft im Himmel muß flau gewesen sein, wenn er es sich erlauben durfte, wie ein Papagei auf seiner Stange auf jener Lade zu hocken, zwischen den beiden heiligen Hennen, die er Cherubim zu nennen geruht. Alle diese Plackerei und Demütigung hätte er sich sparen können, wenn er nur erlaubt haben würde, daß man sein Buch lese. Er aber schrieb das Gesetz und kam dann herunter, um es mündlich kundzutun; kurz er hielt sich einen Hund und besorgte das Bellen selber.
Kapitel III
Armer, betrogener Jehova! Da ich selbst gelegentlich schreibe, fühle ich mit ihm. Nach all der Reklame, die er um sein „Buch des Gesetzes” gemacht hatte, mußte er herausfinden, daß er schändlich irre geleitet worden war. Einen Juden hatte er zu schlau gemacht, und diesem Juden gelang es, seinen Schöpfer zu beschwindeln und zu überlisten. Die Lade wurde zu Salomos Zeiten geöffnet und, o betrogener, entehrter Himmel: Das Buch des Gesetzes war nicht darin!
Wenn das Buch je dort war, dann hatte man es unterschlagen, Gott weiß wann, und das angesichts dessen, daß Allwissenheit auf den Grund der Lade sah wie ein Röntgenstrahl, und die Allmacht auf dem Deckel kauerte. Nach dieser schrecklichen Entdeckung hörte man nie wieder von der Lade. Gott allein weiß, was aus ihr und den zwei darin gefundenen Steinen wurde. Vielleicht aus Wut darüber, daß man ihn hintergangen hatte, sprang Jehova mit seinen allmächtigen Füßen auf den Kasten und zerstampfte ihn bis zur Unkenntlichkeit.
Die 50.070 von Beth-Semes, die vom Himmel herunter oder aus der Hölle heraufschauten, brachten die Hand mit ausgestreckten Fingern an die Nasen und riefen: „Haha!”, während der gemordete Usa ein hämisches Kichern hören ließ. Es sind jetzt mehr als zweitausendachthundert Jahre vergangen, seit man zuletzt etwas von der Lade sah. Nach den Makkabäern wurde sie von Jeremias in einer Höhle auf dem Berge Pisgah versteckt und der Eingang versiegelt. Da ist sie natürlich bis auf den heutigen Tag geblieben, und sehr wahrscheinlich sitzt Jehova noch auf dem Deckel, im Dunkeln vergnüglich weiter leuchtend.
„Gott tut nichts”, gestand Thomas Carlyle mit bitterer Traurigkeit. Aber wenn man Carlyle auf den Deckel des einst vergoldeten Kastens zwischen zwei Cherubim oder vergoldeten Hühnern gesetzt hätte und ihn obendrein in eine Höhle auf dem Berge Pisgah gesperrt hätte – wäre er da wohl imstande gewesen, mehr zu leisten als Jehova? Das „Buch des Gesetzes” war jedenfalls ein neckischer leichtfertiger Band, der außerordentliches Vergnügen am Versteckspielen fand. Nach all dem wahrhaft infernalischen Getratsche, welches man über die „Lade” – oder richtiger übersetzt „Kiste” – des Herrn gemacht hatte, wurde sie zu Zeiten Salomos geöffnet (wie es scheint, wurde damals niemand deswegen erschlagen), und siehe, das „Buch des Gesetzes” war nicht da, doch damit war das wundersame Buch noch lange nicht abgetan, wie die Folge zeigen wird.
Während dreihundertundfünfzig gottverlassenen Jahren mußte die Menschheit zusehen, wie sie ohne die Werke Mose fertig wurde, und niemand konnte sich ausdenken, was wohl Gott mit seinem Werke getan habe. Hatte er es geschickt aus der Lade herauseskamotiert und in den Himmel mitgenommen, um es Sarah zu zeigen und mit ihrer Hilfe die Korrektur zu lesen?
Oder schämte er sich desselben gründlich, und hatte er sich entschlossen, es endgültig aus der Welt zu schaffen?
Doch nein, dem war nicht so. Noch hatte er Vertrauen zu dem alten Schmöker, in dem er erzählte, wie er „schuf” Himmel und Erde aus einigen Zentnern wunderbaren Nichts. Durch seine Kiste hatte er Zehntausenden den Tod gebracht; mit seinem Buche sollte er noch ungezählte Millionen umbringen. Dreihundertundfünfzig Jahre nach jenem Tage, da man zu Salomos Zeiten die Lade öffnete und kein „Buch des Gesetzes” darinnen fand, sprach der Hohepriester Hilkia zu dem Schreiber Saphan: ”Ich habe das Gesetzbuch gefunden im Hause des Herrn”.
Das Ding war immer noch lebendig, und in seinem Leben lag der Donnerkeil des Todes. Keines der Bücher, die die Welt je gesehen, war so tödlich und unheilbringend wie dieses. Seine furchtbare Mission unter der Menschheit wäre nicht einmal von vornherein darzustellen gewesen, hätte man jedes seiner Blätter zu einem Blatte vom Upasbaume gemacht und jedes Wort mit Viperngift geschrieben. Verwünscht über allen anderen seien die Namen des Hilkia und des Saphan. Machte schauriger Donner die Erde erbeben, plantschte rotes Blut vom düsteren Himmel herunter, als Hilkia das entsetzliche Buch vom Regale nahm? Jede Seite ist zum Erzeuger von Entzweiung, Schisma und Haß geworden; jede Zeile wurde eine Reihe von Drachenzähnen, aus der die Saat bewaffneter Männer hervorsproß; jedes Wort war ein Amboß, auf dem zehntausend Schwerter geschmiedet wurden; auf jeden Buchstaben kommt unermeßliches Feuer und Schaffot, Kerker und Feuerqual.
Alle die Tinte, welche zur Erzeugung der Millionen und Millionen von Exemplaren des Buches verbraucht wurde, ist nur ein unendlich kleiner Tropfen im Vergleich zu der grausamen Sündflut roten Blutes, mit der es die vom Feuer geschwärzten Gelände und die verwüsteten Städte durchtränkt hat. Was sind die eisernen Ketten, in die es die Besten unseres Volkes legte, gegenüber den Fesseln geistiger Sklaverei, die im Laufe der Jahrhunderte die Menschheit zu einer Anhäufung von leichtgläubigen Parasiten machten, die durch einen Aberglauben niedergedrückt werden, unter dem die ganze Schöpfung seufzt! Aus Liebe zur Menschheit sage ich: „Anathama maranatha” sei die Hand, welche das Gesetzbuch schrieb, und verflucht sei das Licht jenes Tages, der über Jerusalem aufging, als Hilkia dem Saphan mitteilte, was er in dem „Hause des Herrn” gefunden hatte! Woher wußten Saphan und seine Freunde, daß es das „Gesetzbuch” war, das er gefunden hatte?
Ja, da liegt der Has’ im Pfeffer. Gaben sie das Buch zur Untersuchung an die Gelehrten und Sachkundigen der ganzen damaligen zivilisierten Welt, um deren Urteil darüber einzuholen, ob das Werk aus der Hand Jehovas oder aus der Feder irgendeines jüdischen Schnatterhanses stamme? Nichts dergleichen. Gott und seine Anhänger konnten die Gelehrsamkeit nie und nimmer leiden. Der Weise und Bedachtsame, der Gelehrte und der Denker sind nicht nach ihrem Geschmacke, nein, ihnen sind Säuglinge, Dummköpfe und Idioten am liebsten. Sie brachten das Buch nicht an eine Stätte der Wissenschaft; sie zeigten es nicht einem Gelehrten oder Philologen, sondern sie nahmen es unter den Arm und gingen damit zu Hulda, der Hexe18). „Da ging hin Hilkia, der Priester, Ahikam, Achbor, Saphan und Asaja zu der Prophetin Hulda, dem Weibe Sallums, des Sohnes Thikwas, des Sohnes Harhams, des Hüters der Kleider, und sie wohnte zu Jerusalem im andern Teil; und sie redeten mit ihr”.
Die Hexe Hulda fluchte wie ein Kanonier. Unsere Landsknechte verstanden sich aufs Fluchen, aber so gut machten sie’s doch nicht wie die Hulda, als die Deputation mit der „Heiligen Bibel, dem göttlichen Buche”, ihre Aufwartung machte. Sie verfluchte den Ort, sie verfluchte die Einwohner mit allen Flüchen, wie sie im Buche stehen. Sie sagte: „Darum wird mein Grimm (des Herrn) sich wieder diese Stätte anzünden und nicht ausgelöscht werden”20). Also mußte diese ganze furchtbare, unauslöschliche Wut Jehovas auf jene Generation fallen, welche zur Zeit der Auffindung seines Buches lebte und nicht auf jene Geschlechter, die es verlorengehen ließen. Man darf aber auch nicht vergessen, daß des Herrn Wege nicht unsere Wege sind und daß die Gerechtigkeit des Herrn auf dem Kopfe steht. Nur einer sollte von dem furchtbaren Fluche nicht getroffen werden, und dieser eine war König Josia.
Dadurch, daß er die Deputation von wegen des Buches an sie schickte, hatte er der alten Dame geschmeichelt, und im Namen des Herrn prophezeite sie ihm: „Darum will ich dich zu deinen Vätern sammeln, daß du mit Frieden in dein Grab versammelt werdest”21). Jedoch schon im nächsten Kapitel wird die Prophezeiung der Hexe schnöde mißachtet. Anstatt mit Frieden in sein Grab versammelt zu werden, wurde Josia in einer Schlacht zu Megiddo erschlagen, und seine Knechte brachten ihn nach Jerusalem in sein Grab.
Soviel über Huldas Weissagungsgabe. Nächst Säuglingen und Kindern scheinen es insbesondere Betrüger zu sein, für die der Herr ein faible hat. Weder das eine noch das andere Mal kam es auf einen dunklen Ehrenmann mehr oder weniger bei der „Gesetzbuchauffindung” an. Aber das „Gesetzbuch” war mit seinem Versteckspiel noch immer nicht fertig. Sein Erscheinen im Tempel war geheimnisvoll genug, und wenn es nur kurze Zeit dort gewesen war, wie und woher kam es dann? Wenn es geraume Zeit da gewesen war, wie hatte es so lange unentdeckt bleiben können? Die Entdeckung war ohne Zweifel geheimnisvoll und ihr zu Ehren „zerriß der König seine Kleider”, wodurch vielleicht dem Schneidergewerbe ein leichter Impuls gegeben wurde. Das Volk aber warf sich auf das Verzehren von Lämmern und nannte diese Orgie „Passah”. So geheimnisvoll das Erscheinen des Buches auch sein mochte, sein Verschwinden scheint noch sonderbarer gewesen zu sein.
Es kommt mir vor, als habe Gott sein Gesetz nicht auf Schafshaut, sondern auf den Rücken eines veritablen Irrwischs geschrieben. Hundertundfünfzig Jahre nach Hilkia brachte Esra es fertig, dem Irrwische des Herrn Salz auf den Schwanz zu streuen; – das „Gesetzbuch” wurde von neuem wieder entdeckt. Diesmal war die Entdeckung recht merkwürdig. Hilkia fand das Buch im Tempel, aber Esra scheint es in seinem eigenen Kopfe aufgestöbert zu haben. Nach der Rückkehr von der siebzigjährigen Verbannung an den Wassern Babels sah Esra die Notwendigkeit ein, bei dem Herrn dahin vorstellig zu werden, daß das „Gesetzbuch” durch Feuer zerstört worden sei und daß dadurch der Name des Geistes als Schriftsteller aus den Annalen der Literatur verschwunden sei.
„Dein Gesetz ist verbrannt, deshalb weiß kein Mensch die Dinge, die du getan”. Nachdem er Gott versichert hatte, daß sein Buch verbrannt worden wäre, verpflichtet sich Esra ein neues zu schreiben, „alles zu schreiben, das in der Welt geschehen ist von Anfang an, alle Dinge, die in deinem Gesetze geschrieben wurden, damit die Menschen deinen Weg finden.
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