Fast alle revolutionären Erfindungen der Menschheitsgeschichte – von den Steinwerkzeugen über die Beherrschung des Feuers bis zur Schrift – haben unbekannte Wurzeln. Denn unser Gedächtnis für sehr weit zurückliegende Ereignisse ist schwach.

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Wir kennen den Namen unseres Vorfahren nicht, der als erster die Planeten von den Sternen zu unterscheiden wußte. Doch mit der Zeit fanden die Menschen heraus, daß fünf von diesen hellen Lichtpunkten am nächtlichen Himmel im Verlauf von einigen Monaten aus dem himlischen Gleichschritt ausbrechen und seltsame Bahnen beschreiben.

Auch die Sonne und der Mond vollzogen diese seltsam anmutenden Bewegungen, so daß insgesamt sieben wandernde Himmelskörper mit bloßem Auge sichtbar waren. Als die Woche eingeführt wurde, die anders als der Tag, der Monat und das Jahr an sich keine astronomische Bedeutung hat, teilte man ihr sieben Tage zu, die jeweils nach einem dieser seltsamen Lichter am Nachthimmel benannt wurden. Selbst in unserem heutigen Sprachgebrauch sind diese Namen noch relativ leicht zu identifizieren. In den romanischen Sprachen ist die Verwandschaft besonders deutlich zu erkennen, da sie in direkter Linie aus dem Lateinischen entstanden: Die Tage wurden nach Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn benannt (der „Tag der Sonne“ wurde später zum „Tag des Herren“).

In der deutschen Sprache handelt es sich bei fast allen Wochentagen um Übertragungen und Lehnübersetzungen aus dem Lateinischen. Sonntag und Mon(d)tag sprechen für sich. Dienstag ist auf den germanischen Gott Ziu bzw. Tyr zurückzuführen, der mit dem römischen Kriegsgott Mars gleichgesetzt wurde. Die Bezeichnung „Mittwoch“ wurde von der Kirche eingeführt, um die Erinnerung an Wotan auszulöschen, nach dem der Tag im germanischen Sprachraum lange benannt wurde. Donnerstag wurde nach dem Donnergott Thor benannt. Freitag geht auf die Göttin Frija zurück. Im englischen „Saturday“ kann man noch den Namen „Saturns Tag“ erkennen, während im englischen „Wednesday“ „Wotans Tag“ durchscheint.

Diese Ansammlung von sieben Göttern, sieben Tagen, sieben Welten – die Sonne, der Mond und die fünf wandernden Planeten – hatte immense Auswirkungen. Die Sieben bekam übernatürliche Kräfte. Es gab sieben Himmel, die die Erde wie Zwiebelschalen umhüllten: Im äußersten, siebten Himmel, so glaubte man, saßen die Fixsterne. Die Erde wurde in sieben Tagen erschaffen (wenn man den Tag, an dem „der Herr“ ruhte, mit einschließt), man spricht von sieben Tugenden und sieben Todsünden, sieben Sakramente, sieben Weie, sieben alchemistische Elemente… Sieben ist eine Glückzahl. Im Buch der Offenbarung im Neuen Testament werden die sieben Siegel einer Schriftrolle gebrochen, ertönen sieben Trompeten und werden sieben Schüsseln gefüllt. Man könnte noch unzählige andere Beispiele anführen. Galileis Entdeckung der vier Jupiter-Monde wurde nicht geglaubt, weil sie die christliche Ordnung der zahl Sieben durcheinanderbrachte. Als jedoch das kopernikanische Weltbild an Bedeutung gewann, wurde die Erde in die Liste der Planeten aufgenommen, Sonne und Mond dagegen gestrichen.

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Kopernikus

 

Also gab es auf einmal nur noch sechs Planeten (Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn). Doch auch hier hatte man schnell eine Begründung zur Hand. Sechs ist beispielsweise die erste „perfekte Zahl“, die der Summe ihrer Teiler (1+2+3) entspricht. Quod erat demonstrandum. Außerdem wurde die Erde ja strenggenommen in sechs und nicht sieben Tagen erschaffen. Man ersann jede Menge Gründe zur Rechtfertigung der Planeten. Mit zunehmender Gewöhnung an das kopernikanische System übertrugen die Anhänger der Zahlenmystik ihre Theorien von Planeten auf Monde. Die Erde besitzt einen Mond. Jupiter besaß die vier galileischen Monde. Das waren fünf. Es fehlte also noch einer (Sechs ist schließlich die erste perfekte Zahl). Als Huygens 1655 Titan entdeckte, waren er selbst und viele andere davon überzeugt, daß es sich um den letzten Mond handeln mußte: sechs Planeten, sechs Monde und Gott im Himmel.

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Huygens

 

Huygens gab die Suche nach weiteren Monden auf, da es seiner Überzeugung nach keine weiteren Monde mehr geben konnte. Sechzehn Jahre später entdeckte Cassini einen siebten Mond: Iapetus. Wenig später entdeckte er noch den Mond Rhea, der sich innerhalb der Titan-Bahn um den Saturn bewegt. Und schon hatte man das nächste wunderbare Zahlenspiel entdeckt, mit dem man seinen Gönnern schmeicheln konnte. Cassini addierte die Zahl der Planeten (sechs) mit der zahl ihrer Trabanten (acht) und erhielt vierzehn. Nun war aber der Mann, der für Cassini die Sternwarte eingerichtet hatte, niemand anderes als Ludwig XIV., der Sonnenkönig. Der Astronom präsentierte diese beiden neuen Monde seinem Herrscher und verkündete, daß Ludwigs „Eroberungen“ bis an die Grenzen des Sonnensystems reichten…