Rat, Urteil, Weistum, Weltweisheit, Rechtsetzung, Maß- und Wertbestimmung des Menschen sind Weisen und Mittel für Kraftwirkungen und Kraftspende des Heilträgers. Sie vollziehen sich durch das wirkende Wort und tragen Heil oder Unheil, dafür der Heilträger verantwortlich ist, wie Heiltum, wie Tat durch die Kraft des Armes und der Waffe.
1. Die Gemeinschaft

Gemeinschaft ist in den Menschen von Natur vorgegeben und angelegt, wird aber erfüllt und gestaltet nur durch das Geschehen. Ihre Sprache und sonstigen Wirkweisen sind darum ebenso naturhaft wie geschichtlich, rational wie schicksalhaft bestimmt. Alles menschliche Leben erstreckt sich hier durch die drei Regionen der Natur, der Vernunft und des Schicksals oder Glaubens.
Die naturrechtlich-rationalistische Lehre läßt die Gemeinschaft erstehen nach einem Zustand angeblich naturhafter Vereinzelung und Tierheit, aus dem homo homini lupus, durch Vertragen, durch Zwecküberlegen und Zwecktun. Damit soll die Vernunft zum Prinzip und zur Grundlage des Gemeinschaftslebens in allen seinen Verrichtungen, Ordnungen und Gehalten gemacht werden: das ist der konstitutive Rationalismus. Es ist aber alles an diesen Lehren Fiktion und nichts entspricht der vorgefundenen Wirklichkeit, als daß Vernunft wohl ein notwendiges Mittel der Gemeinschaftsgestaltung ist, weil aufbrechende oder vorhandene Gegensätze in der tatsächlich schon vorgegebenen Gemeinschaft durch Vernunft zum Ausgleich, zur Verständigung, zur Überbrückung aus dem Gemeinsamen gebracht werden können.
Älter als die bürgerliche Lehre von der rational gemachten Gemeinschaft, zurückgehend auf arische Mythen, sind die Anschauungen von Welt und Gemeinschaft als einem lebendigen, vielgliedrigen Leib, etwa einem Baum, also nicht gemacht, sondern gezeugt und gewachsen. Diese Anschauung findet sich bei Germanen, Griechen und Römern. Germanen sehen in der Sippe wie in der Welt einen wachsenden Baum, und wer Ahnenforschung treibt, begreift schnell, sobald er nach der Gesamtheit der Bluts- und Verwandtschaftszusammenhänge ausgreift, daß jeder Einzelne mit allen andern in irgend einem Grad stamm- und blutsverwandt ist in einem Lebenskreis, der die einzelnen Völker manchmal übergreift. Der Gemeinschaft ist naturhaft als Anlage vorgegeben der Strom gemeinsamen Lebens, der sich im Generationenwechsel stets neu gestaltet, im mythischen Bild: der Stamm mit seinen immer neuen Ästen, Zweigen, Blättern, Früchten, oder der Leib, der durch die beständige Erneuerung seiner Glieder hin ein ewiges Leben darstellt.
Diese naturhafte Grundlage des Gemeinschaftslebens ist wirklich, von sich aus aber noch gestaltlos zerfließend, grenzenlos. Konkrete Gestalt und Grenze kommt in Gemeinschaft samt ihren Verrichtungen, Sprache, technischem Zwecktun, Ordnung aller Art, Gemeinwillen und schließlich gemeinsamem Bewußtsein als völkischem und politischem Selbstbewußtsein immer nur durch die schöpferische, geschichtsbildende, steuernde Tat schicksalsberufener Heilträger. Wo der Naturtrieb von unten mit der Kraft von oben zusammentrifft, da wird Geschichte, in ihr und durch sie aber Gemeinschaftsgebilde, wird Volk in irgend einer faßbaren, der Volksart angemessenen politischen Gestalt. Dasselbe Gesetz des Entstehens und Geschehens gilt für die Ordnungen, Gliederungen und Verrichtungen der Gemeinschaft, für Sprache, Erziehung, Wirtschaft, Recht, Weltbild, für Bereitungen und Werkweisen aller Art.Die Vernunft beherrscht und gestaltet von sich aus, aus eigener Kraft gar nichts: sie ist überhaupt keine Kraft, sondern eine Weise, eine Methode, eine Form für Denken und Tun. In ihr aber vermitteln und vergleichen sich die Gegensätze – sowohl von Natur und Schicksal, wie zwischen allen andern Spannungen der Gemeinschaft und Polaritäten des Werdens. „Staat“ wird von Berufenen geschaffen wie sprachliche, künstlerische, wirtschaftliche und anderweitige Möglichkeiten. Ist durch Schöpfung aber irgendwo ein Vorbild aufgestellt, eine Bahn gebrochen, so kann durch Vernunft daraus das übertragbare, nachahmbare Modell, die Regel, die allgemeine Norm einer Ordnung, eines Zwecktuns, einer Arbeit, eines Sprechens oder sonst irgend einer Geltung und Betätigung gemacht werden. So ist in allem, was den Menschen angeht, was er lebt und tut, Natur von Geschichte gar nicht zu trennen und beides wiederum nicht von Vernunft, obschon Natur und Geschichte eigene Wurzel, je eigenes Daseins- und Wirkprinzip haben, also keines aus dem andern ableitbar, keines durch das andere vorgegeben ist. So und nicht anders ist die Wirklichkeit menschlichen Lebens beschaffen, die auch alle Möglichkeiten und unüberschreitbaren Grenzen des Menschentums in sich trägt.
Geschichtsbildende Schöpfung aus Heil und Kraft ist von „oben“ geschickt, steht im Glauben. Naturhafter Trieb kommt von „unten“ und steht im Wachsen. Beide machen im Ineinanderwirken das eigentümliche Leben des Menschen aus, wobei die „Primitiven“ mehr in der Triebhaftigkeit des Naturdaseins stehen, die geschichtsbildenden Rassen mehr an der Schöpfung Anteil haben. „Leben des Menschen“ meint aber in jedem Fall ein Doppeltes: Leben der Gemeinschaft aus dem Leben der Glieder und Leben der Glieder aus dem Gemeinschaftsleben. Beides steht in der Polarität zwischen Natur und Geschichte. Soweit Gemeinschaft an der Geschichte Anteil hat, ist ihr die Kraft durch Berufung und Begnadung einzelner Glieder und durch das daraus entspringende Geschehen (Glauben, Heil, Schöpfung, Kraft der Bewegung und des Wirkens) zuteil geworden. Die Gemeinschaft wird Kraftbehälter, Kraftbewahrer, Kraftvermittler, Hort des Heils; die Vernunft verarbeitet, verteilt, vermittelt, gleicht das Empfangene aus, bis das Heil erschöpft oder gewichen ist. Ist aber Schöpfung, die schöpferische Kraft verbraucht, so hört damit die aktive Geschichtsgestaltung, die Geschichtsführung durch den bisherigen Träger auf: Volk wird Bevölkerung, aus dem Träger der Geschichte wird ein Feld der Betätigung für fremde Geschichtsträger. In der geschichtlichen Seite lebt Gemeinschaft aus dem Heil der begnadeten Glieder, die zu ihren Führern, Heilträgern, Schicksalträgern berufen worden sind.
Von Natur leben die Glieder aus der naturhaft vorgegebenen Gemeinschaft: von da empfangen sie ihren Lebenstrieb, die Fähigkeit des Wachsens, aus Vererbung ihre Anlagen, aus Anlage und Erziehung ihre naturhafte Sinnrichtung und die Möglichkeiten, die in „Wachsen“ beschlossen sind, wozu Zeugung, Geburt, Reifen, Fortpflanzung, Welken, Tod gehören. Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Oberbewußtsein, Vernunft, Erkennen, Zwecktun stehen immer in der Polarität zwischen dem naturhaften Trieb und der geschickten Kraft, die im Leben der Gemeinschaft zusammengefunden, sich gegenseitig durchdrungen, gesteigert, geprägt und gerichtet haben. Da das „geistige“ Werden der Glieder von ihrem naturhaften Wachsen, dem Lebenstrieb, gar nicht abgetrennt werden kann, steht auch schon das Wachsen selbst in der Polarität zwischen Trieb und Heil, ist also Natur vom Geschickten her steuerbar und der Steuerung bedürftig. Das ist das Eigentümliche, Unterscheidende menschlichen Lebens, daß Gemeinschaft und Glieder einerseits, Natur und Geschichte andrerseits nicht voneinander gesondert werden können, obschon dieses Leben nicht aus einer einzigen Wurzel entspringt, sondern stets in der Polarität zwischen oben und unten, zwischen naturhaftem Trieb und gespendeter Kraft steht. Natur und Geschichte sind nicht dasselbe, aber auch nicht voneinander zu scheiden.
Der Mensch ist nicht nur seiner Abstammung und Herkunft nach Gemeinschaftswesen – darin unterscheidet er sich in keiner Weise von andern Naturwesen -, sondern im gesamten Lebenslauf gliedhaft an die Gemeinschaft als ein politisches Gebilde, als seinen Kraft- und Schicksalsmittler existenziell gebunden. Vereinzelt kann er allenfalls naturhaft vegetieren, aber nicht ein volles menschliches Leben haben und führen: sein Leben wird in Vereinzelung und Abgetrenntheit schicksalslos, bestimmungslos, sinnlos: es hat nichts mehr, was über sich selbst, über seine Spanne hinauswiese; es hat keine Aufgabe mehr. Es hat Not, aber keine Notwende. Es stirbt nicht nur den natürlichen Tod, sondern läuft aus, geht unter: ein Zweig, der vom Baum herabgefallen ist.Gemeinschaft ist dem Menschen Geschichtsleib, verleibte Geschichte, Schicksals- und Heilvermittler, Kraftbehälter und Kraftspender, wie sie ihm überpersönlicher Naturleib, Lebens- und Stammbaum, Triebquell, Wurzel des Wachsens ist. Gemeinschaft ist das ewige Leben über Geburt und Tod, über Einzelmensch und Generationenwechsel hinaus, vielmehr durch allen Gestaltwandel hindurch: die lebendige Stätte im Wechsel, in der Zeit. An der Gemeinschaft betätigt und erfüllt sich die geschichtliche Gestaltung: durch geschichtsbildende Schöpfung wird sie Volk, in Form eines politischen Gebildes aber Geschichtsträger und Geschichtsführer für sich selbst und für andere Völker, für große Lebenskreise, für die ganze Menschheit, und das ist der Weg, darin sie ihre letzte naturhaft-rassische wie ihre schicksalhaft-geschichtliche Bestimmung, ihren angelegten und geschickten Sinn, ihre Anlage, ihr Heil und die daraus folgende Sendung erfüllt im Höchst- und Bestmaß, im führenden Vorbild.
Das Heil, die bewegende Kraft, kommt durch Führer, die aus Glauben berufen sind, von oben. Es geht durch Führung, Schöpfung, Tat erst auf kleinere Kreise gefolgschaftsbildend über, erfaßt und gestaltet zuletzt die ganze völkische Gemeinschaft. Volk wird dann im Generationenwechsel und Zeitenlauf Träger des Heils und Mittler an die nachwachsenden Generationen, bis es mit seiner Bestimmung seine Zeit erfüllt hat, um neuer Schöpfung, Aufgabe und Epoche Raum zu geben. Gemeinschaft ist Behälter und Bewahrer der Kraft und des Triebes, Vernunft die Weise der Vermittlung, der Auswirkung und Verarbeitung in allgemeiner Erziehung, Ordnung und Zwecktätigkeit zwischen den verschiedenen Gliedern, Geschlechtern, Tätigkeitsbereichen, Berufen, Ständen, Klassen, Schichten, Organisationen. Natur aber ist Grundlage von alledem.
Heil setzt überall ein, wo Schöpfung geschickt, neue Bahn gebrochen, neue Weise gezeigt wird: in politischer Führung, Staatsmannschaft, Feldherrntum, Arzttum, Verkündung, Lehre, Erziehung. Auf jedem Lebensgebiet kann bewegende, geschichtsbildende Kraft einschlagen. Geschichte mit Volksgestaltung und Sinnerfüllung fordert, daß die an einer großen Epoche aufbrechenden Kräfte gleichsinnig, gleichstrebend seien, daß Führungsheil, Siegheil, Arztheil, Rat, Lehre, Weistum, Ansatz und Weise zwar verschieden, doch zum selben Ziel hinwirken: die Kräfte sind eine Kraft, entspringen demselben Heil, wirken unter demselben Schicksal, entfalten dieselbe rassische Art, Anlage und Richtung zur letzten Sinnerfüllung, zur vollendeten, vorbildlichen Gestalt.
Bedingung für die Erhaltung der Kraft und Erfüllung des Heils ist die Charakter- und Willenszucht, der Schutz vor jeder Ausartung und Fremdverführung. Genüßlinge jeder Art sind keine Willensmenschen, und die Gier bringt Unfreiheit. Zum Starken gehört zwar seine artgemäße Genußfähigkeit, er regelt und steuert sie aber nach seinem Schaffensziel, hält vor allem Ernährung und Geschlechtsleben in Zucht zur Gesundheit und produktiven Kraft. Denn wer befehlen will, muß im Befehlen Seligkeit erlangen, Genießen macht gemein…
2. Das corpus mysticum
Im germanischen Christentum wird Christus zum idealen Oberherrn und Heilspender des germanischen Reiches, zur Idealgestalt einer politisch-geschichtlichen Lebenswirklichkeit. Im gnostischen Christentum ist der Christus als gottgleicher Sohn Gottes der Gesandte eines ewigen, göttlichen Reiches der oberen astralen Sphären, in die er nach siegreichem Kampf mit den Dämonen die erlöste Seele heimholt: es geht da um ein materiell-immaterielles, astrales, ätherisches (d. h. rein geistiges) Jenseits, das nicht erst begründet werden muß, dazu vielmehr nur der vom Leib zu erlösenden Seele der Zugang zu eröffnen ist.
Wie die katholische Kirche allenthalben in der Mitte steht, complexio oppositorum, so erklärt sie sich auch hier zum Doppelwesen: als sichtbare Kirche ist sie diesseitiges, politisches Reich, stets Gegenreich allerdings zur Ökumene, ob zum römischen Imperium oder zum germanischen Reich. Als „corpus mysticum Christi“ ist sie konstituiert als ein Jenseits der Welt, der Natur, der Materie, des Leibes, als eine von Mittelwesen bevölkerte und nach Gottnähe gestufte eigene Welt, wie sie Dante in seinem Paradies zur mythischen Darstellung gebracht hat.
Bei Paulus tritt der organische Gedanke deutlich hervor: die Gemeinde ist Leib, wachsend wie ein Leib und doch kein naturhafter, diesseitiger lebenswirklicher Leib, sondern der mystische Leib Christi, ein reiner, naturfremder, naturwidriger Heilleib, wie bei Johannes Christus nicht Heilträger ist, sondern die gnostisch-mythische Verkörperung des Heils, der Wahrheit als naturgegnerisches „Leben“ selbst auffaßt. Dieser Christus und seine unsichtbare Kirche, die sein mystischer Körper ist, sehen aus nach Astralleib, nach immaterieller Materie, nach unwirklicher Wirklichkeit, unlebendigem, angeblich überlebendigem „geistigen“ Leben: das Jenseits der complexio oppositorum besteht in Wahrheit aus lauter sich selbst aufhebenden, sich selbst ausschließenden, alle Möglichkeit zur Unmöglichkeit, alle Wirklichkeit zur gespenstigen Unwirklichkeit machenden Widersprüchen. Dazu gehört dann notwendig als Weg, als Praxis die Zauberwirkung des Sakraments, das Mysterium, der mittelnde, gottmenschliche Priester, die Theurgie der Sakramente und Mysterien sowie das ganze Heer des Jehova Zebaoth, des Herrn der himmlischen und teuflischen Heerscharen: alle die Dämonen, die himmlischen, höllischen und Sterngeister, die Mächte und die Mittelwesen wie Michael, Gabriel, Samael, Beelzebub und Genossen, denen der Mensch oder die Seele durch Versetzung in ihren obersten Bereich gleichgemacht oder deren Herrschaft sie entzogen werden sollen. Streichen wir einmal diese ganze astrale, höllische und himmlische Gesellschaft samt ihren Sphären und Mächten, dann wird die christliche Gemeinde als ein Reich wieder auf die Erde versetzt, zum wahren und vollen Leben gemacht.
In den paulinischen Briefen stehen diese Dinge immer in der Schwebelage, im Zwielicht zwischen dem gnostischen, theurgischen Jenseits mit seinem Weg nach oben und dem Heilglauben als der Kraft des kommenden Reiches, der wirklichen Geschichte. Das Lebensprinzip der Gemeinde heißt immer wieder: ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; ich bin der Leib, ihr seid die Glieder, wobei die Gemeinde Verkörperung, Leib, Hort des in Christus gesandten Heils ist. Das Sakrament als kultische Darstellung des mythischen Prinzips kann dabei ebenso hinweisendes Symbol, Heilszeichen sein zur Bereitung und Ausrichtung der Glieder, aber auch als magische Bewirkung, zauberische Verwandlung und Vergottung dienen, wobei „Leib“ alle Stufen vom natürlichen, fleischlichen Leib über die astrale, ätherische Verdünnung bis zu Psyche und Pneuma durchschillert, denn die Menschen sollen ja Anteil gewinnen an Gottes „Natur“, an Gottes Wesen, also aufhören, niedere Wesen mit fleischlichen naturhaften Leibern zu sein. Alle nur erdenkbaren Möglichkeiten und Wünschbarkeiten sind in diesem Synkretismus durcheinandergequirlt, um den Griechen griechisch, den Juden jüdisch, den Materialisten materialistisch, den Spiritisten spiritistisch, den Kabbalisten kabbalistisch, den Gnostikern gnostisch kommen und alle Schafe in den universalen Pferch einfangen zu können. Das Prinzip des Synkretismus ist die Verworrenheit.Der Römerbrief sagt: „Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, die Glieder aber alle ihre besondere Verrichtung, so bilden wir zusammen einen Leib in Christus, als Einzelne aber stehen wir zueinander wie Glieder, ausgestattet mit verschiedenen Gaben, je nach der Gnade, die uns verliehen ist. Sei es Weissagung: nach Maßgabe des Glaubens; Verwaltung: im Beruf der Verwaltung; wer lehrt: in dem der Lehre…“ Hier ist der Gemeinschaftsgedanke getroffen, die Stärke der katholischen Kirche, wo sie gegen den naturrechtlich-bürgerlichen Vertrags- und Summenbegriff der Gesellschaft stand, wennschon sie selbst in ihre complexio oppositorum mit der Scholastik auch noch das antike Naturrecht aufgenommen hatte.
Dieses Bild und Prinzip der leibhaften oder „organischen“ Gemeinschaft ist in sich wahr und wirklich, auch für uns geltend. Die naturhaft angelegte Gemeinschaft ist auch uns Hort und Mittlerin des Heils an die Glieder: daraus ersteht das Reich, geschieht die Geschichte.
Dann gewinnt auch die kirchliche Lehre vom Gnadenschatz der Gemeinschaft, gewonnen und erhalten von den Heilträgern, den“Heiligen“, zugutekommend den Gliedern als Kraft aus ihrem Glauben, einen hohen Sinn. Man braucht nur nicht aus der Verrechnung der Gnaden ein Kontor himmlischer Fuggerei und aus den Priestern deren Commis auf Erden zu machen, wie es im Tetzelschen Ablaßhandel bis zur wucherischen Posse getrieben worden ist. Die Kraft des Heils ist weder durch Simonie und Fuggerei käuflich, noch durch Buße, Messe und anderes Werk, sei es händlerisch oder theurgisch, magisch oder mystisch zu gewinnen. Auch gleicht der lebendige, wirkende Gnadenschatz der Gemeinschaft nicht der geladenen Leidener Flasche, deren Kraft sich dem mitteilt, der gerade in Exaltation heranläuft, noch auch dem Schokolade-Automaten, der seinen Inhalt für einen Groschen herausschnarren läßt.Den ursprünglichen guten Sinn von alledem hat Luther, der Deutsche, aus aller Überfremdung und Verzerrung erlöst und aus dem Glauben als geschichtswirkende, volk- und reichsbildende Kraft wieder hergestellt. Darum ist bei ihm der germanische Christus als Heilträger noch einmal, zum letzten Mal erschienen, ein germanisches Christentum, das nichts anderes ist, als germanischer Heil- und Schicksalsglauben überhaupt. Doch ist ihm ein endgültiger Sieg nicht geworden.
Als der Rationalismus den Glauben getötet, den Mythos vom Heil säkularisiert hatte, da kam mit dem illuminatischen Neokatholizismus die letzte Nachbrandung Asiens mit seinem ganzen Dämonen- und Zauberwust, mit seinen Sphären, Himmeln und Höllen, mit seinen Gottmenschen und Übermenschen, seinen Theosophen und Mystikern, seinen Kabbalisten und Hochstaplern nochmal, zum letztenmal herein. Darin ist das Christentum endgültig gestorben. Aus diesem Tod aber lebt jetzt der lebendige Heil- und Schicksalsglaube als Kraft der Gestaltung und des Geschehens neu auf, frei von allem semitischen Spuk.
3. Die Begabung
Begabung ist nicht dasselbe wie Anlage, Berufung nicht dasselbe wie Beruf. Es führt aber zum Lebenskonflikt, wenn Begabung und Anlage, wenn Berufung und Beruf nicht zusammengehen. Begabung ist jedoch dasselbe wie Begnadung, das, was Paracelsus noch mit „Geschicklichkeit“ meint, das wiederum nicht mit natürlicher Befähigung, sondern dem gespendeten Charisma gleichzusetzen ist.Alle Wachstumserscheinungen gehen auf den Lebenstrieb zurück und haben zur Voraussetzung die Anlage, das Eigengesetz, die Entelechie. Darin sind Pflanze, Tier und Mensch grundsätzlich gleich. Tier und Mensch sind auch nur stufenweise darin verschieden, daß und wie die Triebe durch Erkenntnis, also bewußt auf Zwecke gelenkt und so zum Willen geformt werden. Auch in der zugehörigen Lernfähigkeit unterscheiden sich Mensch und Tier nur nach Graden, und die Individualität, der Eigencharakter ist nach Anlage und Entfaltung bei Hunden nicht minder vorhanden als bei den Menschen. Begabung im echten und ursprünglichen Sinn des Wortes aber, die den Menschen zur schöpferischen Erhebung über seine und seiner Umwelt Naturhaftigkeit führt, hat allein der Mensch.
Wenn die Verwandten ein Paar zur Hochzeit „begaben“, so ist nicht nur ein Wirtschaftsgut und Handelswert, auch nicht nur „Ausstattung“ gemeint, sondern eine Heilbewirkung, ein Glücksegen aus dem Gemeinschaftsgut und Geschlechtsheil. So, wie der Gefolgsherr den Gefolgsmann zur Heilmittlung und Treubindung mit Schwert, Schild, Mantel oder Pferd, auch mit Schmuck und Namen begabt und damit die Gemeinschaft der Gefolgen in ihrem Haupt herstellt.
Die Musen, Chariten, Moiren oder Nornen begaben an der Wiege das Kind nicht mit Trieb und Anlage, die es schon von Geburt haben muß, sondern mit besonderem Heil, mit einer zusätzlichen Kraft, die es vor andern auszeichnet und zu schöpferischer Leistung befähigt, die aber auch entzogen werden oder schuldhaft in Verlust geraten und in Heillosigkeit umschlagen kann für den, der sein Heil durch Zuchtlosigkeit oder Hybris verludert. Der Berufene kann zum Verworfenen werden. Das, was hier geschenkt werden kann, ist Charisma, Rat, Heil, Weistum, schöpferische Kraft jeder Art, die den also begabten Menschen zum Schicksalsträger für sich selbst und seine Gemeinschaft macht – immer nur in der Richtung auf das vorbestimmte Ziel.Die Begabung muß nicht in der Wiege erfolgen. Sie kommt, wann sie will und wo sie will: einem kranken Frontsoldaten im Lazarett, einem jeden Bereiten in einer tiefen Not; sie setzt nur das voraus, was sie selbst erst voll macht: den empfangsbereiten Glauben.Die Begabung mit Heil geht ein in vorhandene Art, in vorgefundene Anlage und steigert sie zur Kraft unentrinnbaren Müssens; sie erfaßt und nutzt auch Vernunft und Verstand als Mittel des schöpferischen Willens, der Tat, des Handelns, des Kampfes, des unerschütterlichen Widerstandes gegen den Feind. Die Heilwirkung umgeht nie das helle Bewußtsein, macht aus ihrem Träger nicht Nachtwandler und Somnambule, sondern führt Bewußtsein, steigert Erkennen zum höchsten Grad, gibt der Tat die Sicherheit des Sieges, den rechten Zugriff, die bereite, reife Stunde, den Kairos. Vernunft bereitet die Mittel, Werkzeuge und Weisen der Erfüllung.
Krankenheilung durch einen berufenen Heilträger geht wie jede andere Heilwirkung in politischer Führung, in Erziehung, in der Kunst, in Verkündung, im schöpferischen Schauen durch den bewußten Willenseinsatz mit stärkstem Zusammenstraffen von Willen und Bewußtsein, das der Glaube wirkt, vollzieht sich auch nicht jederzeit und überall, nicht nach Belieben und Willkür, sondern nur in der bereiten, vorbereiteten Stunde: unter Tyche und Kairos. Es wird erzählt: In einer Abendstunde geht ein Mann hinter einem andern, unbekannten Mann her aus zufälliger Begegnung. Da fällt der Vordermann dem anderen auf durch seine Haltung und Bewegung mit etwas, was andern nicht bemerkbar wäre. Er tritt vor, spricht an, holt heraus: der Angesprochene ist auf dem Wege zum Selbstmord. Der das Gesicht hatte, kann dem andern helfen, kann ihn heilen. Der Heilträger hat die besondere Sicht auf das, wo er zum Heilen und Helfen berufen ist, aber nur, wenn Stunde, Begegnung, „Zufall“ seinen Willen und seine Sicht auf den Notfall richten. Wäre Gedanke und Wille des Heilträgers im Augenblick der Begegnung befangen in einer andern Richtung, von einem andern Sinn, also nicht frei für die Not des andern, so bliebe die Begegnung sinnlos, blind, das Heil wirklos. Wie zum Arzt gehört zum Staatsmann und zum Nothelfer jeder Art sowohl die Sicht wie die Kraft aus dem Heil: beides ist dasselbe. „Denn was drinnen ist, ist draußen“. Es gibt in lebenden Wesen keinerlei Inneres, das sich nicht äußerte in Form, Farbe, Weise der Bewegung, Haltung und Gebärde. Darum kann das Innere auch aus dem Äußeren abgeleitet, gedeutet werden: das ist der Grundsatz aller Physiognomik und Charakterologie, geltend auch für Handlesen, Schriftdeutung, Augenlesen wie für jede Art von praktischer Menschenkenntnis, Menschenführung und ärztlicher Diagnostik. Auch mit jeder Ausschwitzung und Absonderung kommt Inneres, das nicht bloß Inneres des Hautumfanges ist, zutage. Indessen bedarf es wie zum Führen und Gestalten des Menschen durch den Menschen, so zum Lesen und Deuten des Menschen der berufenen, heilbegabten Sicht eines Heilträgers. Diese Fähigkeiten werden sofort fragwürdig, wenn daraus lern- und lehrbare Verfahrensweisen, tradierbare Techniken und Lehrverfahren gemacht werden. Es ist aber mit der Therapie nicht anders als mit der Diagnostik; der Arzt ist nur ganz, wenn Heil, Wissen, Kunst und Kairos gleicherweise mit ihm sind.
Jeder Schicksalsträger, gleich Bismarck, weiß, daß die Tat nur sieghaft wird in der reifen Stunde. Die nichtwiederkehrende Stunde nützen, die Zeit recht auskaufen, ist das ebenso große wie einfache Geheimnis des Sieges, der Schöpfung, der Notwende. Die reife Stunde aber fordert die Bereitschaft. Wenn der Staatsmann in der Stunde der glückhaften großen Entscheidung kein aufgezüchtetes Gefolge, kein schlagfertiges Heer und keine Waffen hat, so hilft ihm kein Gebet und keine magische Praktik. Und wenn er alles technisch und willensmäßig Nötige bereit hält und hat das Heil nicht, so nützen alle Mittel, alle Anstrengungen, alle Techniken nichts. Das Glück hängt am Heil, an Begabung und Stunde, an Charisma und Kairos; aber des Glückes Sinn und Verwirklichung ist nicht ohne die Vernunft und ihre Weisen, wie die Vernunft wieder nicht ohne die Natur ist. Das gilt für den Arzt und alle andern Heilträger in gleicher Weise.
Man kennt jene Künstler, Maler etwa, denen ein- oder zweimal im Leben in berufener Stunde Vollkommenes gelingt, die sonst aber nie sich über rein handwerkliche Mittelmäßigkeit hinaufzappeln können. Ihr Werk zeigt, wo das Heil aus ihnen wirkte und wo nicht. Vielleicht steckt etwas dieser Art hinter allen jenen Hochstaplern, vertreten in Cagliostro und Genossen: einmal ist ihnen das Außerordentliche, Ungewöhnliche, Übervernünftige gelungen. Daraus haben sie dann ihre Techniken hochstaplerischer Täuschung und Verführung gemacht: die leerlaufenden Techniken der Magie, der Theurgie, der Lebensverlängerung, der Vergottung, der Krankenheilung: ein magisches Handwerk ersetzt das fehlende Heil, indem es diesem stets bereite Gegenwärtigkeit und technische Verfügbarkeit vortäuscht zu Fang und Ausbeutung der Gimpel. Mesmer in Paris ist das klassische Beispiel. Dasselbe Problem liegt vor in jeder Art von Verführung: bei den hochstaplerischen Revolutionären, Staatsmännern, Ärzten, Propheten.
Wo die Perioden der Geschichte zum Auslaufen und zum Untergang bestimmt sind, treten die mit Unheil belasteten Menschen als Schicksalsträger hervor. Ludwig XVI. von Frankreich und Nikolaus II. von Rußland sind dieser Art, menschlich fast ohne Vorwurf und Tadel, besser als ihre Vorgänger; sie wollen das Gute, machen manches Vernünftige, aber wo sie schicksalhaft ausgreifen, greifen sie fehl und wirken Heillosigkeit, bis die von ihren Händen ausgelöste Bewegung sie selbst verschlingt. Ludwigs XVI. Staatsreform, gegen den Adel gerichtet, ist Auslösung und Beginn der Revolution, die ein Zeitalter beendete, indem sie mit dem Königshaus eine Tradition zerbrach. Etwas dieser Art liegt über der deutschen Führung im 1. Weltkrieg; bei all den ungeheuren Anstregungen, Mühsalen, Opfern, Siegen jedesmal das „Beinahe“, eine verhängnisvolle Zwangsläufigkeit. Diese Epoche war ein Ende, machte damit aber erst eine neue Berufung und Sendung frei.
4. Die Schöpfung

Wo immer die Begabung oder Begnadung in Wirksamkeit tritt, erfolgt daraus Schöpfung eines zuvor Nichtdagewesenen, eines Einmaligen, das Durchbrechen einer vorgefundenen Wirklichkeit zu einer neuen Wirklichkeit und damit Geschehen, geschichtliche Bewegung. Hier spricht das Schicksal durch seine Berufenen und Gesandten. Formal mögen Siege, Staatsgründungen, Kunstwerke, Verkündungen in aller Welt und zu allen Zeiten Ähnlichkeit haben, soweit sie eben aus Schöpfungen hervorgehen; jede einzelne Schöpfung erfolgt indessen zu ihrer Zeit, aus gegebener Lage und Not mit Richtung auf die damit im Zusammenhang stehende einmalige Aufgabe des Geschehens: Hier und jetzt entsteht aus ihr einmaliges Werk, zuvor nicht dagewesene und nicht wiederholbare Wirklichkeit. Die schöpferische Tat findet dann aber Weiterwirkung in Nachfolge und Nachahmung nach rationaler Norm, nach Plan, Regel, Organisation. Wenn einer mit einer neuen Weise der politischen und militärischen Strategie oder Taktik einen entscheidenden Sieg errungen, ein anderer ein Flugzeug erstmals erfunden und bewährt, einem dritten eine große Krankenheilung gelungen, ein vierter mit einem Kunstwerk eine Epoche gesetzt, so machen die Nachfahren daraus lehrbare, lernbare und übertragbare Methoden, rationale Techniken, gangbare Typen. Die schöpferische Berufung ist zwar nicht mehr mit ihnen; ihr Werk schreitet doch auf dem Werk rationalen Könnens und Wissens voran, weil ja mit dem schöpferischen Werk die gangbare Bahn eröffnet, der Durchbruch gemacht und das Ziel greifbar konkret vor sie im Vorbild hingestellt ist. Sie meinen dann nur, weil sie an Regel und Methode und Technik hängen, daß alles, auch der Anfang der Dinge daran hänge, alles von der planenden Vernunft, der erlernten und gewohnten Rechenkunst ausgehe. So haben die Bürger die rechnende Vernunft zum Anfang und Urgrund der Welt und des Menschentums erklärt und daraus ihre sagenhaften Fortschrittskonstruktionen gemacht aus der Einbildung, die Späteren, die von den Schöpfungen ihrer Vorgänger zehren, seien eben als die Späteren auch schon die Besseren, Höheren: die „Fortgeschrittenen“. Das sind die Epigonen.Schöpfung ist stets dem Prinzip nach gegenwärtig, d. h. vom lebenden Menschen grundsätzlich erlebbar, sobald das Schicksal ruft, die Gnade kommt. Schöpfung ist nirgends lokalisiert und gebunden, in keiner Vergangenheit anderes gewesen, hat nichts anderes getan, als sie gegenwärtig und künftig sein und vollbringen kann. Die geschichtliche Welt ist voll der Wunder vom Außergewöhnlichen, Nichtrationalen her, ja, die Geschichte lebt zuletzt überhaupt von solchen Wundern. Wenn der bewegende Glaube auch keine Berge ins Meer stürzt und keine Krankheitsdämonen in die Säue treibt, so ist es ein weit Größeres, Jahrhunderte, selbst Jahrtausende von den Epochen her in Bewegung zu setzen, Völker darin unter einen Sinn, einen Bann, ein Gesetz zu stellen. Nie und nirgends aber ist Schöpfung anderes als das; immer geschieht sie durch den berufenen Menschen des Glaubens; immer ist sie auch gebunden an Art und Schranken möglichen und wirklichen Lebens des Menschen. Es gibt hier Helden, in denen Menschentum sich zu seiner letzten Höhe aufgipfelt, allenfalls noch Schwindler des Übermenschen- und des Gottmenschentums, niemals aber, durch kein Wunder und keinen Zauber, Überschreiten der Grenzen des Menschenmöglichen, die indessen weiter liegen mögen, als alltägliche Erfahrungen und Überlieferungen von Ordnungsbürgern und Technikern reichen. Alles ist möglich, dem der da glaubt, soweit Heil und Glück mit ihm sind, die ihn auch, vor jeder Hybris warnend, die Grenzen des Möglichen mit seinem Ziel von Fall zu Fall neu abstecken lassen. Daher sind auch keine Grenzen der Wirkung von Mensch zu Mensch – in Arzttum, Erziehung, politischer Führung – allgemein absteckbar, um so weniger, als die helfende Einwirkung von außen ja nur die nicht vorausberechenbaren Kräfte des Angesprochenen mit dem wirkenden Wort oder mit sonst einer Heilbewirkung heraufrufen, heraufreißen. Nichts anderes können und wollen die germanischen Heilsegen gegen Krankheit, zu irgend einer Befreiung, als solche Mittler von Heilkraft zwischen lebendigen Menschen sein, stark wirksam, wenn ein Heilträger sie handhabt. In den Segensformeln selbst liegt so wenig eine geheime wirkende Kraft verborgen als sonst in einem alltäglichen Wort, einer Gebärde, einem Vorgang wie Runenritzen und dergleichen mehr. Die Mittel unterliegen der Zweckmäßigkeit, sind aber schon um deswillen nötig, weil ja jedes Wort, jede Geste, jeder Sinn des natürlichen Vehikels bedarf, damit Kraft wirksam vermittelt werde. Die Kraft des „unaussprechlichen Seufzens“ kann sich nur im Seufzenden selbst auswirken.
Die Grenzen des Menschenmöglichen sind für Gegenwart und Zukunft nicht weiter, aber auch nicht enger, als sie je durch Heil und Schöpfertat, Schöpferwerk in der Vergangenheit ausgefüllt worden sind. Darum sind sie aber doch nicht auf Maß, auf Rechnung, auf Technik zu bringen. Nur die Schöpfertat zeigt, was der Tat möglich ist. Niemals überschreitet sie die Grenzen des Menschentums.
Eine eigentümliche Frage wirft der Namenszauber auf. Wo ein Name mit einem selbstbewußten Wesen verwachsen ist, rührt der Name in der Tat an dessen innerste Art und Wesenheit, so daß er ein Zugangsweg und ein Ausstrahlungsmittel für Kraftwirkungen wird. Der Name eines Heilträgers löst je nachdem Sympathie und Antipathie, Ehrfurcht, Liebe und Haß aus, und wenn ich einen Menschen mit seinem Namen anrufe, ist die Wirkung schneller und stärker, befehlender als mit sonst einem Anruf.
Mögen nun aber bei Jehova, Samael, Uriel, Beelzebub Namen und Wesen auch eins geworden sein, da hinter den Namen überhaupt keine Wesenheit mehr steht, so kann ich wohl über die Namen Herr dieser göttlichen und dämonischen Wesen werden, aber keinen Zauber, keine Kraftwirkung über sie als meine Gefangenen erzielen, weil keine Kraft und keine Wesenheit vorhanden ist außer dem Namensklang. Mit Gebilden orientalischer Phantasie können wir keine Heilwirkung erzielen. Da hilft denn auch das kabbalistische Spiel mit den Buchstaben und Zahlen JHVH, dem Schem hamphorasch, nichts.
Man kann einen Menschen kaum stärker entwürdigen, als wenn man ihn zur auswechselbaren Zahl degradiert und ihm den Namen nimmt: da ist er als Ware, als Sklave gestempelt. Der Name prägt in der Tat seinen Träger, daher ist Namengebung eine Tat von hoher schöpferischer Bedeutung. Noch Linné hat seine Leistumg, die Namengebung für PfIanzen- und Tierarten, als Schöpfungswerk, nicht bloß als Katalogisierung und Registrierung angesehen, sondern fühlte sich aus Gottes Ratskammer berufen, das anfängliche Schöpfungswerk mit Prägung der Wesen durch Namen zu vollenden. Patricius, Vatersohn, war in Rom ein Mann, der mit dem Vatersnamen, dem Geschlechtsnamen die höchste Würde, den Ausdruck des Bluts empfing im Unterschied zu den Söhnen Niemands, auch im Unterschied der nach dem Wohnviertel benannten Plebs. So in vielen andern Völkern, und wer durch Weihe in die Mannheit oder einen neuen Lebensstand einzieht, wechselte zuweilen den Namen im Sinne einer Erhöhung. Mittelalterliche Adelsnamen erhöhten ihre Träger als Herren von Ort, Burg, Stammsitz: das Heil ist hier mit dem Odal verbunden. Titel ist schon eher äußerlicher, typischer Zusatz. Die Nordgermanen haben selbst ihre Spitz- und Spottnamen als Ehre getragen, weil sie, oftmals verliehen wie Schwert und Schmuck, Gewähr eines Heils und einer Treubindung darstellten. Daher auch die große, bis zur Wesensgleichsetzung gehende Bedeutung der Namen bei den göttlichen Heilmittlern, den fulltrui, den Gestalten des Glaubens.
Alle Heilbewirkung ist Schöpfung, Wesensprägung, Kraftspende, Sinnrichtung, Sinnstärkung aus dem Glauben; alle Schöpfung aber ist an Art und Grenzen des Menschenmöglichen gebunden. Schöpfung ist stets gegenwärtige Gestaltung, Bewegung der Gemeinschaft, Setzung eines Anfangs in der Zeit im Sinne einer geschichtlichen Epoche, niemals jedoch Setzung eines absoluten Anfangs.Die Erkenntnis, daß Sprachschöpfung nicht an einem mythischen Uranfang, in einer Urzeit als Unzeit, steht, daß Sprachschöpfung vielmehr in der Folge nichts anderes ist als die immer neue Gestaltung, Sprachbewegung aus Sinn und Kraft des sprechenden Menschen, war der große Wurf W. von Humboldts. Dasselbe gilt für das gesamte Gemeinschaftsleben in allen seinen Verrichtungen, Ordnungen, Formen, Normen, Sinngehalten. Dem steht im Bereich des Wissens die Tatsache gegenüber: von absoluten Anfängen wissen wir nichts, weder von der Welt, noch von den Organismen, noch vom Menschen, noch von der Gemeinschaft und ihren Verrichtungen und Wesensmitteln wie der Sprache. Alle Schöpfungsmythen sind schlechter Ersatz des Wissens, vielmehr des Nichtwissens, und mit Glauben haben sie ohnehin nichts zu tun, so wenig wie die von ihnen abgeleiteten Metaphysiken.
Setzen wir immer Welt und Natur als ewig, zugleich als zeitlos und dauernd, da ihre Anfänge so unvorstellbar wie unwißbar sind. Der Eigenbereich menschlichen Tuns und Wirkens ist die Geschichte, nicht die Natur: der Mensch kommt aus der Natur, die Geschichte kommt aus dem Menschen. In der Geschichte ist Schöpfung grundsätz1ich weitergehend, ebenso gegenwärtig und künftig wie vergangen. Keine Schöpfung aber bricht aus den Grenzen des Menschenmöglichen, das ist aber: aus der Geschichte, dem für Heil und Schicksal jeweils Möglichen, aus. Schöpfung geschieht nur hier, und sie geschieht allemal durch den berufenen, glaubenden Menschen als den Mittler des Heils.
5. Die Bereitung
„Der Wind weht, wo er will, und du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt.“ Wenn Bismarck es als die Berufung des Staatsmannes erklärt, das Vorübergehen der Gottheit abwarten, um hervorspringend den Saum ihres Mantels zu fassen, so gilt dasselbe für jede Art von Handlung, die schicksalträchtig wird. Keiner kann das Heil und Glück herbeizwingen, weder mit Tüchtigkeit, noch mit rationaler oder magischer Technik, wofern er nicht aus einem Gläubigen zu einem Betrüger werden will. Keiner kann aber auch nur hinsitzen, die Hände im Schoß, und warten, ob und bis ihn das Fatum ruft. Der Staatsmann hat seine laufenden Geschäfte, der Arzt muß zu seinen Kranken, wenn sie ihn fordern; jeder Krieg muß organisatorisch, erzieherisch, technisch bis ins letzte vorbereitet sein, jede Berufsübung setzt ein technisches Wissen und Können mit langem Lehren und Lernen voraus. Wenn das Rationale solcher Art nicht vorgegeben ist, wird das fallende Los zum Lotterietreffer, dessen Gewinn so rasch verdunstet, wie er gekommen ist. Wurden in der Antike, auch in der frühchristlichen Kirche Beauftragte und Geehrte der Gemeinde durchs Los, das ist aber: durch den Spruch der Moira, berufen, so war vorausgesetzt, daß da nur bereite und befähigte Glieder dem Los zur Wahl standen: des Knaben lockige Unschuld sollte so wenig einem blinden Zutappen ausgesetzt sein wie der kahle schuldige Scheitel. Aber die Rationalität der geregelten Arbeit, der Organisation und der Planmäßigkeit kann auch Heil und Schicksal verdecken und um der Alleinherrschaft der Vernunft willen bestreiten, bis der Strahl brennend und vernichtend dazwischen fährt.
Bereitschaft heißt Zucht und Tüchtigkeit, Bereitmachen heißt Erziehen mit Sinneinstellung auf die schicksalhaft gesetzte, geschichtsbildende Aufgabe allein. Daraus kommt noch nicht Erfüllung von selbst; wo aber solche Bereitschaft vorgegeben ist, kann geschicktes Heil auch nicht in anderem Sinn wirken. Wenn eine Gemeinschaft sich von Leib und Sünde bedrückt fühlt, so kann nur ein Erlöser von Fleisch und Sünde ihre Bereitschaft erfüllen. Wenn ein Volk in Not nach einem politischen Führer ruft, so kann ihm nur durch einen politischen Führer Befreiung und Notwende zuteil werden. Ein Alexander oder Cäsar hätte den Frühchristen so wenig getaugt, wie uns ein theurgischer oder mystischer Erlöser, etwa ein Buddha mit seinem Weg der Versenkung durch Nabelbeschauung.
Wie Zucht und Erziehung für bestimmte Ziele den Sinn des Bereitmachens und Ausrichtens haben, für andere Sinnrichtungen die Askese, die Kontemplation, das Exerzitium, so ist der „Gottesdienst“ der Gemeinschaft beschaffen: seine Weisen sollen den Sinn der Glieder dahin richten und festigen, wo das Heil erwartet wird und die Erfüllung gesucht werden muß. Darum sind „Gottesdienste“ in Weisen und Mitteln so verschieden, weil sie ganz verschiedenen Sinnrichtungen dienen.
Könige hatten einst ihre Bereitung, bevor sie unter der Krone zur Staatshandlung oder zum Richteramt schritten; Schmiede haben, als besonders berufene Menschen der Gemeinschaft wie die Führer und Kämpfer, ihre Person zum hohen Werk bereitet, Bauern haben ihre Bitt- und Dankfeiern um Erntesegen: alles geht um das, was zuletzt zu Arbeit, Mühe, Einsatz, Können und Wissen hinzukommen muß, damit Glück und Segen aus dem Werk werde. So gilt selbst hier das Wort: „Denn wer da unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich selber das Gericht.“ Der Menschen Haltung ruft nach dem Heil oder Unheil, die für die Haltung zum Gericht werden. Alles aber hängt davon ab, ob solches Werk und Mittel, wie das Beten, aus der Grundhaltung des freien, dem Schicksal, der Tat und der Verantwortung stehenden, darum heldischen Menschen folge oder ob der sklavische Mensch das Heil durch theurgische, magische Praktik, wozu auch die Gebetsmühle und jedes technisierte und industrialisierte Exerzitiensystem gehört, erschleichen und erzwingen will. Gleichgültig, ob sich solches Handwerk des Unglaubens in einer gesonderten Sphäre, „Religion“ genannt, vollzieht oder als sonstige „Seelentechnik“ wie Hypnose, Psychoanalyse, Fakirtum jeder Art, ob es bezwingbare Dämonen voraussetzt oder die technische Zwingmethode selbst dämonisiert und spiritualisiert. Für den Menschen des freien, heldischen Glaubens gilt: alles ist möglich, dem der da glaubt; auch alles ist erlaubt, dem der da glaubt. Denn er wird sich ohne Verlust seiner selbst, seiner Ehre und seines Glaubens nie im Mittel vergreifen und im Ziel verirren. Sein Glauben ist sein Gesetz, seine Freiheit, seine Schranke und Selbsterkenntnis zugleich.
Wohl heißt es: alles ist möglich dem, der da glaubt, und in der Folge: Der Berufene kann alles, was er will. Er kann aber gar nichts wollen, als was er wollen muß, wozu er berufen ist, und wenn er im Können fehl greift, ist es ein Zeichen, daß ihn sein Heil verlassen hat. Das Glück hängt am Glauben, der Glaube aber wird nur dem Bereiten, dem Befähigten zuteil, dem, der den Sinn schon hat, der auf das Ziel schon ausgerichtet ist, zuvor aber nicht die Kraft zur Tat, zur Erfüllung und Vollendung besitzt. Hinzugekommen ist mit der Begnadung oder Begabung, daß die Tat und das Wort durch die Kraft wirkend geworden ist: es dringt zum Ziel durch.
Seine Freiheit besteht in seinem Gesetz, das ihn von jedem Mißbrauch und jeder Hybris fernhält. Wer aus seinem Gesetz fällt, fällt aus dem Glauben; wer aus dem Glauben fällt, verliert das Heil und die Kraft, weil er dem gesetzten Sinn und Ziel untreu geworden ist und das Schicksal überlisten will. Uns aber ist Weg und Ziel gewiesen aus dem, was uns mit Rasse und Heil als Lebensaufgabe zuerteilt ist, nichts sonst. Das geschichtliche Ziel ist wahrhaft groß genug, als Aufgabe für viele Geschlechter, die nach uns kommen.
6. Die Steuerung
Die Bewegung der Lokomotive geht hervor aus den vielen einzelnen Stößen der Kolben im Dampfzylinder, die in die Drehbewegung der Räder, die Rollbewegung der ganzen Lokomotive und die Ziehbewegung am Zug umgesetzt werden. Diese Bewegung ist der einzige Sinn der Lokomotive, die im Hinblick auf höchstmögliche Erfüllung dieses Sinnes höchstmöglich technisiert ist. Entsprechendes gilt für das nicht an Schienenbahn gebannte Automobil. Die Lokomotive ist nach menschlichen Zwecken erfunden und eingerichtet und ihre Bewegung wird aus menschlicher „Kraft“ d. h. Sinnkraft, – was in der Maschine vorgeht, ist nicht Kraft, sondern Energieumsatz – nach menschlichem Sinn zu menschlichen Zwecken gesteuert. Steuern ist bewußt menschliche Tätigkeit an Naturbewegungen oder an Menschen.
Leib oder Organismus der Lebewesen ist nicht rational gemacht, sondern wächst aus dem Lebenstrieb gemäß dem einwohnenden Art- und Eigengesetz, aus dem „Bildungstrieb“. Das einwohnende Gesetz steuert am leibhaften Wesen alles einzelne, also das gesamte Wachsen, Werden, Formen. Das vollendet sich in rationaler, bewußt zweckhafter Beeinflussung der Ernährung, der Fortpflanzung, der Organfunktionen, einer bewußten Selbststeuerung des Lebens, vom Tier gradweise aufsteigend zum Menschen. Bekanntlich kann man z. B. mit bewußter Atemregulierung erstaunliche Wirkungen erzielen. Selbststeuerung des Organismus im Wachsen ist ein Bild, aber es entspringt nicht dem demiurgischen Mythos oder einer teleologischen Metaphysik.Was insgesamt „Geschichte“ heißt, ist weder rational und technisch gemacht, wie das Naturrecht lehrte, noch naturhaft gewachsen, wie die romantische Naturphilosophie meinte, noch auch durch eine „List der Idee“ oder List der Weltvernunft zu deren Zielen gelenkt, wie Hegel phantasierte. Man kann die Gesamtheit dessen, was Geschichte heißt, in eine Unsumme einzelner, rationaler, in sich sinn- und zweckhafter Einzeltätigkeiten des Alltags zerlegen, die alle einen ihnen selbst naheliegenden Sinn erfüllen zwischen Ernährung, Fortpflanzung, Erhaltung des Selbst und der Gemeinschaft, Bedürfnissen der Lebensführung und dem Streben nach Steigerung, nach Verbesserung und Erhöhung dieser Bedürfnisse und Bedürfnisbefriedigungen, wie man die Gesamtbewegung der Maschine auf die einzelnen Kolbenstöße zurückführen kann. Da wirken allenthalben Natur und Vernunft, Lebenstrieb und bewußtes Machen, Wachsen und Technik zusammen. Ist die Summe, der Haufe, das Aneinanderreihen von alledem aber schon Geschichte? Die Positivisten auch unter den Historikern haben einmal Miene gemacht, dazu ihr Ja und Amen zu sprechen. Indessen hat keiner, nicht einmal der Marxist, die letzte Folgerung daraus zu ziehen gewagt, weil sonst die Geschichte selbst völlig sinn- und ziellos geworden wäre.
Geschichte hat doch einen weiteren, höheren Sinn über die Summe alltäglichen Tuns hinaus. Was sind die politischen Gebilde, die Staaten, Reiche, Imperien, Kulturkreise, Kriege, Revolutionen? Wie entstehen und vergehen sie? Welchen Sinn erstreben und erfüllen sie? Vor allem: Wie verhält sich ihr Geschehen und ihre Gestaltung zu jener Unsumme einzelnen Tuns im Alltagsleben der Menschen? Hier kommen wir weder mit dem Begriff des rationalen, zweckhaft-technischen Machens, noch mit dem naturhaft unbewußten Wachsen, weder mit der physikalisch-technischen, noch mit der naturphilosophisch-biologischen Kategorie durch. Auch nicht mit Hegels „List der Idee“ und ähnlichen metaphysischen Phantastereien.
Zerlegung des Geschehens trifft allemal auf die unendliche Vielheit jenes zweckhaften, alltäglichen Einzeltuns als sein Element. Auch das Meißeln des Bildhauers, die Strichführung des Zeichners, das Tun des Staatsmannes oder Arztes, zerlegt und aus der Nähe beschaut, zeigt solche Steuerung, wie Rede zuletzt aus natürlich hervorgebrachten Lauten, Schrift aus technisch gemachten Buchstaben besteht. Wie geht durch die Vielheit der Elemente ein stetiger zusammenhängender Sinn hindurch? Wie wird eine bloße Summe und Reihe von Einzeltun zum großen Geschehen mit seinen Fernzielen, seinen Gestaltungen, Gebilden, Entscheidungen gesteuert? Die Steuerung selbst ist Sinngebung und Sinnverwirklichung. Wenn ich die in sich sinnlosen Laute m- a – b – u entsprechend meinem Sinn steuere und ordne, wird daraus das sinnhafte Wort „Baum“. Durch Steuerung wird der Sinn verwirklicht als das unsichtbare und unhörbare, aber verstehbare Band der Laute und Buchstaben, der Elemente jeder Art, also auch der Einzelwillen in einer Gemeinschaft zum zielhaften Gesamtwillen, der Einzelkräfte zur Gesamtkraft, die mehr und höher ist als Summe und mechanisches Fügen, zumal wenn sie einem geordneten Rhythmus unterworfen werden.
Geschichte hat auf jeden Fall das Machen und das Wachsen, die Natur und das rational-technische Tun zu ihrer Unterlage, und im eigentlichen Geschehen selbst ist genug des Technischen und des Wachsenden enthalten. Aber an den letzten Punkt, an das Prinzip, von dem sie abhängig sind, reichen beide nicht hin.
Ich esse jeden Tag meine Mahlzeiten, übe meinen Beruf und allerlei andere Tätigkeiten, die allesamt ihre nächstliegenden Zwecke erfüllen. Daß ich esse, ist mein notwendiger persönlicher Zweck. Was ich esse, hängt von der Wirtschaftslage ab; diese wird von der Wirtschaftspolitik gesteuert. Das wächst nicht von selbst und wird von keiner List der Idee gemacht, sondern von oben entschieden und geregelt. Dasselbe gilt von aller Ernährung, aller wirtschaftlichen, beruflichen und sonstigen Einzelbetätigung; dahin leiten die Institutionen und Normen, die Organisation der Berufe, der Wirtschaft, des Heeres, der Schule, überhaupt alles Tun. Gewiß sollen nun alle Deutschen ihr tägliches, berufliches und anderweitiges Tun, samt den zugehörigen Einzelzwecken selbst regulieren und richten nach jenen Fernzielen. Auch bei wirksamster Zucht und Stärke gemäß dem Leitsatz: „Gemeinnutz vor Eigennutz“ würde aber das Ethos nicht ausreichen, das Chaos des Einzeltuns und der Einzelzwecke auf das große Gesamtziel abzustellen oder mindestens abzustimmen, das Chaos also zum Kosmos, zur wirkenden Wohlordnung des volksgemeinschaftlichen Reiches zu gestalten. Dahin führt kein Wachsen, keine List der Idee, auch keine Planung der Art, wie ein Bau aufgeführt wird, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind. Das Werden muß mit immer neuen Eingriffen und Entscheidungen nach Fall und Lage zum sinnhaften Geschehen geführt werden. Was man im 19. Jahrhundert „die Entwicklung“ genannt hat, ist kein wachsender Selbstvollzug eines Organismus, sondern geschieht einzig und allein durch die politische Führung des Ganzen, der viele Mittel und Weisen zu ihrer Durchsetzung zur Verfügung stehen wie Gesetzgebung, Gericht und Strafe, Organisation, Befehlsgewalt, Zucht und Erziehung. Sie hat die Summe einzelzwecklichen Tuns mit gemeinsamem Sinn auszustatten, d. h. daraus gleichgerichtete Sinnreihen zu machen und sie auf die gemeinsamen Hoch- und Fernziele, auf die geschichtsbildende Aufgabe und die zugehörigen politischen Gebilde hin zu steuern. Das Geschehen läuft nicht abseits einen Weg für sich in einer Welt für sich, sondern mitten durch unser zweckhaftes Tun und natürliche Funktion hindurch. Wir sind die Glieder eines solchen gesteuerten Ganzen. Sinn und Ziel des Geschehens heißt zuletzt: das deutsche Volk zur höchsten Erfüllung seiner Art und seines rassisch angelegten Sinnes in der Geschichte bringen, es zum maßgebenden und führenden Vorbild unter den Völkern machen. Dazu gehört die höchstmögliche Steigerung und bestmögliche Gestaltung aller seiner Kräfte zu einem Hochbild des Menschentums. Das Ziel wird erreicht, der Sinn verwirklicht durch politische Schöpfung oder Führung.
Zu solcher Führung ist befähigt nur der vom Schicksal Berufene, der mit Führungsheil Begabte, der Heil- und Schicksalsträger, der Mann des Glaubens, der Entscheidung wagen, Verantwortung übernehmen kann und darf, weil seinem Heil die Kraft, das Glück, der Sieg gegeben ist. Darin ist Vernunft und Natur weit überhöht: daraus entspringt die Geschichte. Heil verwirklicht Sinn durch Schöpfung, durch Führungstat. Zumal in den Epochen.
7. Die Vermittlung
Jede Wirkung von Mensch zu Mensch, sei es Gebärde, Wort oder Zwischenschaltung dinglicher Mittelglieder, also alles „Mittel“, ist seiner Art nach leibhaft, körperlich, sichtbar und hörbar, während das vermittelte Heil, die Kraft, der Sinn unsichtbar und unhörbar bleibt, aber verstehbar, vernünftig aufnehmbar sein muß. B – a – u – m ist sichtbar oder hörbar, „Baum“ ist darüber hinaus verstehbar: vermittelbar. Gestalt ist verwirklichter Sinn oder doch Etappe zur Sinnverwirklichung. Sinn und Sinngefüge empfangen die Elemente (Stoicheia = Buchstaben) allemal aus Kraft und Gesetz des Lebens. Vernunft ist die Weise aller Sinnvermittlung durch Gebärde, Sprache, Schrift, Werk jeder Art, also auch jede Art des technischen Tuns umfassend. Alles menschliche Kraft- und Sinnwirken – auch Ackerbau, Technik usw. – ist zunächst auf Natur, auf das Äußere, zuletzt aber auf das Du, den Mitmenschen, die Gemeinschaft bezogen, selbst im rein technischen Werk des Anatomen und Chirurgen, die mit dem leb- oder bewußtlosen Leib umgehen wie der Holzhacker mit dem Baum, der Steinmetz mit dem Stein. Vernunft als Weise lebendiger Vermittlung hat die Pole des Gebenden und Empfangenden, des Befehlenden und Gehorchenden, des Lehrenden und Lernenden, des Helfenden und des Hilfsbedürftigen, des Arztes und des Kranken, also des Ich und des Du, wobei das lebende Du, im Unterschied vom mechanisch bearbeiteten Ding, die Wirkung sinnhaft aufnimmt, vernimmt, versteht. Insofern sind dann allerdings Vernunft, Vernehmen und Verstehen nicht nur auf die Vermittlung durch den Begriff und die durchgebildete Sprache beschränkt: die weisende Gebärde vermittelt verstehbaren Sinn; die Anschauung des Malers wird in seinem Werk bildhaft auf den Beschauer vermittelt; ein Schamane, der sich selbst in Ekstase versetzt, vermittelt Sinn und Kraft seines Wirkens auf dem Wege der Gefühlserregung, der Exaltation, auf seine Gemeinde und seine Kranken. Entscheidend ist, daß das Wirken vom Ich zum Du durch das lebendige Empfangen, die vernehmende Teilhabe, die geöffneten Sinne des Du eingeht. Eine klatschende Maulschelle zwar ist zunächst eine ebenso mechanische Angelegenheit wie Hammerschlag am Stein, Sägen am Holz; sie verfolgt aber einen weiteren lebendigen Sinn im Empfänger gleich dem wirkenden Wort, gleich der befehlenden Gebärde. Dasselbe gilt vom Töten im Krieg zwischen den Kämpfenden: die Gewaltmittel sollen zuletzt Willen brechen, Willen lenken, Willen unterwerfen oder aufrufen. Das ist der Sinn von Heil und Kraft im Unterschied zur bloß mechanisch wirkenden Energie und dem organischen Trieb. Alles Sinnwirken von Mensch zu Mensch geht über das sichtbare oder hörbare Tun, das aber nur Medium, Vehikel, Träger des zu vermittelnden, nur verstehbaren, vernehmbaren Sinnes ist, und unterscheidet sich darin wesentlich von allen Arten der Bewegung und Wirkung: von der sogenannten Kausalität. Wie das Sinnwirken sinnhafte Empfängnis voraussetzt, so auch im Sender sinnhafte Absicht, Ziel, Zweck, bewußte Steuerung, Wahl und Gestaltung der Mittel. An diesen Wirkweg, an diese Wirkweise ist auch jede höhere Heilwirkung, jede Schöpfung gebunden.
Ein wichtiger Weg der Heilwirkung neben dem wirkenden Wort ist wie der Blick des Auges so die berührende Hand. Handauflegen als Segensmittlung, Stärkung, Kraftspende: die heilende Hand und die formende Hand, etwa des Künstlers, gehören zum Menschentum überhaupt; sie wirken nach dem Gesetz der Rasse, des Glaubens und des Heils. Auge und Hand können erregen und stillen, steigern und niederhalten, befehlen und gehorchen machen, geben und empfangen – unmittelbarer als das Wort, ohne grobe Mechanik. Beide wirken zwischen den Geschlechtern in der Erotik, zwischen dem Arzt und dem Kranken, zwischen Führenden und Geführten, Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, in der Freundschaft wie in der Liebe, in Gesundheit und Krankheit sinnmittelnd, heilmittelnd. Die Künstler sind auf sie verwiesen wie die Verkünder, die Ärzte, die Führer, die Lehrer.
Die Auswirkung hohen Heils unterscheidet die Kraftwirkungen nach Art der Mittel zu gegebener Gelegenheit. Es ist dasselbe Heil, die Kraft des Glaubens germanischer Könige, das den Sieg im Kampf bringt, wenn der Führer seiner Gefolgschaft in die Schlacht voranschreitet, wie wenn er nachher Verwundeten und Kranken die heilende Hand auflegt, was englische und fränkische Könige, z. B. Ludwig XIII. nach der Eroberung von La Rochelle, durch lange Jahrhunderte getan, wenn sie dem fulltrui Opfer bringen, wenn sie Volk und Gefolgschaft mit dem Symbol des Schwertes richten, wenn sie Geschlechter oder Herden und Fluren segnen, wenn sie Botschaft an Freund oder Feind senden, wenn sie Rat und Befehl als wirkende Kraft, als steuernden Sinn ausgehen lassen. Aus dem Heil steht der Schicksalsträger mit alledem im Glauben und in der Kraft, aber auch auf Leben und Tod in der Verantwortung: Heil und Unheil fallen auf ihn selbst zurück. Alle Heilszeichen, wie Fahne, Krone, Schwert, Mantel, Speer, Reichsapfel, alle vergabten Güter, haben Kraft des Heils nicht aus sich, nicht an sich, sondern stets nur aus Heil und Kraft des Spenders: sie sind Mittel, Mittelweisen und Mittelwege, für den Empfänger darum die Symbole der Treubindung, des schuldigen Dankes, der Verpflichtung.
Aus demselben heldischen Heil hat der Skalde Egil Siege erfochten, Weisen gedichtet, Kranke geheilt. Das Dichten und Heilen ist Kraftwirkung, mit der man selbst Könige bezwingen, Haupteslösung erzielen, Gefangene befreien, Stürme überstehen kann. Aus dem Heilspruch, Heilszeichen, Runenritzen, Dichten kommen Kraft und Siegheil so wenig wie aus der Waffe: sie alle sind nur Weisen der Vermittlung. Sobald sich die Mittel selbständig machen, vom lebendigen Wesen ablösen und als „Inkubus“, d. h. als materielle Kraftträger aus eigener Bestimmung gelten, sei es Waffe, Rune, Vers, Schmuck, Hort, Tier, da ist Verfall, da ist Dämonisierung, da wird Zauber, Zaubertechnik, Hexenwerk, Zauberindustrie. Dann unterscheidet sich germanischer Heilglaube nicht mehr von orientalischem Namen- und Dämonenzauber. Der heldische Mensch und Heilträger sinkt zum Unmenschen herab, der Glaube zum Afterglauben, wenn er mit solchen Mitteln Heil und Sieg erschleichen, erkaufen und die gesetzten Grenzen überspringen, überlisten will. Betrogene Betrüger. Oft liegen diese Dinge, die von wesensweit verschiedenen Enden der Menschenwelt herkommen, zum Verwechseln und Vermischen nahe beisammen, wie denn nach oder neben dem Heiland stets der Charlatan als sein Gegenbild aufersteht.
Auch Rat, Urteil, Weistum, Weltweisheit, Rechtsetzung, Maß- und Wertbestimmung des Menschen sind Weisen und Mittel für Kraftwirkungen und Kraftspende des Heilträgers. Sie vollziehen sich durch das wirkende Wort und tragen Heil oder Unheil, dafür der Heilträger verantwortlich ist, wie Heiltum, wie Tat durch die Kraft des Armes und der Waffe. Heil wird ermessen in allen Arten des Agon, des Wettstreites und Männervergleichs, darin führendes und schöpferisches Herrenmenschentum sich bewährt.
„Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht sich den zerbrechlichen Kristall.“ Nicht der Bruch des Glases fällt Heil und Glück von Edenhall, des Geschlechtes und der Halle. Sondern weil das Heil verludert, die Haltung, der Wille, die Lebenskraft dahin, zerschlägt der Letzte des Geschlechts mit seinen Händen das Heilszeichen, das Glücksglas, in der Stunde des hereinbrechenden Unheils: Geschlecht, Halle, Glück und Glas sind miteinander am Ende, weil die Herren des Glases die Treue gebrochen haben. Sonst ist kein Zauber da. Das Heilszeichen ist Mittler, nicht Träger der Kraft, Symbol, zu dem der Glaube aufschaut. So ist es mit der Swastika, dem Thorshammer, dem Doppelbeil, so mit den Heilgebärden und Segenshandlungen, den Segenssprüchen, dem Gebet, dem Handauflegen: der Glaube des Gebenden und Empfangenden, der Sinn des Ausstrahlenden und Vernehmenden begegnen sich im Sichtbaren und Hörbaren, in Bild und Zeichen. Auf dem Zeichen sammelt sich die Kraft, die Sicht, der Glaube, und dieses Einen bringt höheres Ereignis als die bloße Summe hervor. Geformte Gemeinsamkeit von Kraft und Glauben hebt jedes Glied der Gemeinschaft in eine gesteigerte, erhöhte Wirklichkeit. Das Zeichen aber ist Mittel der Steuerung und Führung durch den Heilträger und Heilmittler: so wird das Zeichen sinnhaftes und kraftsteigerndes Band der Gemeinschaft.