Geschrieben von: Karl Theodor Weigel
In seinen Ausführungen „Germanisches Erbe in der deutschen Volkskunst“ (NZ 4, 3804 n. St.) zeigte Karl von Spieß, wie durch die Volkskunst Motive und Bildgruppen gehen, die bereits in der indogermanischen Zeit vorhanden waren. Bei allen Völkern dieser Herkunft haben sie sich als Erbteil mit einer geradezu verblüffenden, ungeheueren Zähigkeit erhalten. Der Begriff „Leitgestalten der Volkskunst“ ist heute für dieses Kulturgut geläufig, und in erster Linie von Wien aus behandelt worden.

Besonders die Arbeit von Josef Strzygowski, „Spuren indogermanischen Glaubens in der bildenden Kunst“ hat auf diesem Gebiet bahnbrechend gewirkt und zugleich bewiesen, welche besondere Rolle dem Osten, besonders Iran, zugefallen ist. Er zeigt dabei, wie gerade die Formen, die als „Leitgestalten“ sich im indogermanischen Raume erhalten haben, vorwiegend erst durch diese gegenseitige Befruchtung zwischen Norden und Iran sich entwickelten. Er weist darauf hin, daß neben diesen Formen weitere Zeichen stehen, nämlich die Zeichen, die wir als „Sinnbilder“ behandeln, die sichtlich mit den Menschen der indogermanischen Völkergruppe aus der Urheimat im Norden gekommen sind. Diese Zeichen haben sich neben den „Leitgestalten“ verbreitet und – wie die Beobachtung lehrt – ebenfalls ihre Formen in zäher Überlieferungstreue bewahrt. Wir fassen sie bewußt als die ältere Schicht auf, als den geistigen Urgrund und kulturelles Erbe der Indogermanen überhaupt.

 

Wenn aber Eduard Hollerbach in seiner Arbeit „Leitgestalten der Volkskunst im indogermanischen Bereich“ nur Mittel der Kunstgeschichte heranzieht – vorwiegend sogar Hochkulturen, die den Namen „Volkskunst“ nicht beanspruchen dürfen, – und daneben erklärt, daß er die „starren Sinnbilder“ nicht für geeignet halte, das Beharrende, das Rassische der indogermanischen Überlieferungswelt aufzuzeigen, so beweist er, daß er den veralteten kunsthistorischen Standpunkt noch nicht überwunden hat und mit unberechtigtem Hochmut auf die wahre Kunst des Volkes, die aus dessen Wesensgründen herausquillt, herabsieht und sie einfach nicht verstehen kann. Da er zudem behauptet, daß mit der Gotik diese Überlieferungswelt abbreche, zeigt er, daß er auch das Material nicht zur Genüge kennt.

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Die Frage der Dauerüberlieferung wird gern dazu verwendet, um gegen die Sinnbildfrage Einwände finden zu können. Ich möchte hier ein besonders beliebtes Thema herausgreifen, das schon Hans Naumann anschneidet. Er schreibt in seinen „Grundzügen der deutschen Volkskunde“: „Die oft seltsamen Anordnungen der Pfeiler, Pfosten, Riegel und Streben entspringt allein der Technik und Konstruktion; jedenfalls stellen sie keine Symbole oder Reste von Runen dar.“ Er meint dazu: „Sie entspringen dem verlebendigenden, spielerischen Schmuckbedürfnis des Primitiven.“ Wenn wir auch über diese wirklich primitive Anschauung hinweg sind und vielfältig die ausgesprochenen Runen- und Sinnbildformen im Fachwerk belegen können, glaubt doch noch Helmut Arntz in seiner Arbeit „Die Runenschrift, ihre Geschichte und ihre Denkmäler“ schreiben zu müssen: „Über das Fortleben der Runen wissen wir noch nicht viel zu berichten, und nach dem, was wir oben über das Wiederkehren gleicher Formen gesagt haben, geht es natürlich nicht an, an Fachwerkhäusern und wo auch immer gekreuzte und verschieden lange ,Stäbe‘ vorkommen, Runen zu lesen.“ Freilich lesen wir heute nicht mehr die „Runengiebel“ nach den Methoden von Guido von List und Philipp Stauff, sondern gehen dem nach, was über das rein Konstruktive hinausgeht. Nur selten sind diese Formen in das notwendige Gefüge einbezogen. Gleichzeitig aber weisen wir sie in jedem anderen Baustoffe, in den Erzeugnissen der Volkskunst usw. nach und gliedern diese Funde landschaftlich und zeitlich – zurück bis zu den Stufen der Vorgeschichte. Dabei sind natürlich brauchbarere Ergebnisse zu erwarten als bei der Stauffschen Art. Wir können allerdings nicht mit „Ergebnissen“ aufwarten wie „Heiliger Ahriman, hilf die heilige Feuerzeugung fördern!“, wohl aber finden wir die lebendigen Belege der Sinnbilder im Brauchtum und die literarischen Nachweise in heimischen und in indogermanischen Schriften.

Kommen wir zu den starren Sinnbildern zurück. Die Vorgeschichte kennt sie als „geometrische Ornamente“ schon lange, und Alois Riegl hat 1893 festgestellt, der geometrische Stil sei alles andere als primitiv, er sei vielmehr „ein wohlüberlegter, festgeschlossener, raffinierter Kunststil“. Wenn wir diese Zeichen, die uns zu Beginn der jüngeren Steinzeit – also vor über 5000 Jahren – bei den nordisch bestimmten Kulturen bereits einheitlich und vollkommen ausgeprägt erscheinen, heute „Sinnbilder“ nennen, so ist das ein Ausdruck, der sich im Laufe der Zeit erst herausgebildet hat. Wir wissen in Wirklichkeit bislang noch nicht, wie diese Zeichen ursprünglich genannt wurden. Jakob Grimm meint in seinem Werke „Deutsche Rechtsaltertümer“, daß man wohl für Symbol – wie man diese Zeichen zu seiner Zeit nannte – den Ausdruck „Wahrzeichen“ verwenden könne, da sie im Sinne des alten Rechtes bildlich die Vollbringung eines Geschäftes oder einer Handlung zum Ausdruck bringen. Ferdinand Christian Baur stellte dagegen 1824 fest, daß das Symbol nicht nur eine Anschauung an sich darstelle, sondern daß der Reflex einer Idee mit ihm verbunden sei und noch etwas anderes ausdrücke als in dem unmittelbaren Objekt der Anschauung enthalten sei. Scheltema meint, daß richtige „Denkbilder“ sich entwickelt hätten, die mit früheren Gedächtnisbildern nichts mehr gemein hätten und den Anfang einer symbolischen Zeichenschrift darstellten. Strzygowski hingegen stellt fest, daß diese Sinnbilder im 14. und 15. Jahrhundert ausdrücklich den Namen „Heidnisch Werk“ geführt haben und schreibt hierzu: „Das Beharrende, das ich in der Entwicklung auf das sogenannte Heidnisch Werk bei uns in Europa sehe, ist, daß es sich im wesentlichen um ein handwerkliches Schlagwort für das Nordische handelt, und eine Bedeutung, die dem Schlagwort erst gegeben wurde durch die zur herrschenden Macht ausgebildete Kirche. Es stehen sich also beharrlich gegenüber Macht und Norden, Kirche und Glauben, Rechtgläubigkeit und eben Heidnischwerk, eine entwicklungsgeschichtlich ältere Schicht, die unter der Machtschicht der letzten Jahrtausende wie unter einer oberflächlichen Tünche immer wieder zutage kommt.“ Es sind also sichtlich Bedeutungsvorstellungen, herabgesunken zum Schmuck, die mehr oder weniger bewußt blieben, und das Runenwort der Spange von Strand mag als Beleg dafür hierher gestellt werden: siklis nahli = der Schmuck ist ein Schutz gegen Not.

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Die gleichen Kreise, die sich immer wieder leidenschaftlich gegen das Vorkommen von Sinnbildformen im Fachwerk des deutschen Hauses wenden, machen gern geltend, daß wir doch wirklich alte Fachwerkhäuser gar nicht aufweisen könnten, und daß die wenigen vorhandenen Reste Schmuckformen erst vom 16. Jahrhundert ab erkennen ließen. Auch Dehio vertritt diese unverständliche Ansicht und übersieht dabei vollkommen, daß schon im frühdeutschen, fälschlich „romanisch“ genannten Baustil die gleichen Sinnbildformen auftreten und dort häufig die Portale geradezu überwuchern. Gerade dieser frühdeutsche Zeitabschnitt beweist, daß die gleichen Fachwerkformen, die wir bis in das 19. Jahrhundert hinein nachweisen können, bereits stolzer Besitz der germanischen Zimmermannskunst zu Anfang des 13. Jahrhunderts gewesen sein müssen.
Ein Torbogen in Modena zeigt die Darstellung einer belagerten Burg (Bild 1). Die beiden Tortürme, aus denen die Belagerten Ausfälle unternehmen, zeigen Ausbildungen im Fachwerkverbande, die uns durchaus geläufig sind: nämlich durchkreuzte Raute und Ing-Rune am rechten Torturme, am linken unten ein Malkreuz, oben eine Odal-Rune. Ein Haus aus Halberstadt, das von Anfang des 18. Jahrhunderts stammt, zeigt durchkreuzte Raute und Odal-Rune auch hier in gleicher Verwendung – unkonstruktiv und zweifellos lediglich als sinnbildhaftes Fachwerk zu verstehen. So ist der Bogen von Modena ein steinernes Zeugnis dafür, wie das Fachwerk damals ausgesehen hat. Wir könnten die verschiedenen lateinischen Lobeshymnen auf die Holzbaukunst deutscher Stämme wirklich nicht verstehen, wenn sie lediglich nüchternes Riegelwerk behandelt hätten. Zweifellos sind eben gerade die reichen Sinnbildformen das Schöne und Reizvolle an diesen Bauten gewesen, auch für den, der nicht verstand, diese Zeichen zu lesen und zu deuten, wie dies dem Volke aber unbedingt geläufig gewesen sein muß.

Ich möchte mich nun auf die vier Formen beschränken, die diese beiden Türme uns vermitteln.

Überaus erstaunt wird der Beschauer zunächst über die Odal-Rune sein, die hier eindeutig als Balkenfügung vorkommt. Gerade aber im Nordharzgebiet ist eine Reihe derartiger Funde festgestellt worden. Zum Überfluß kommt das gleiche Zeichen aber auch noch in anderen Baustoffen vor.
Ein Haus aus Meißen (Mittelweser) um 1800 zeigt in Backsteinen über dem Deelentore die gleiche Form (Bild 2).

Der Giebel von Kapellendorf (Thüringen) von Mitte 19. Jahrhundert zeigt eine Überlieferungsform im Schieferbelag (Bild 3).
In Osterwieck (Nordharz) finden wir von Mitte des 16. Jahrhunderts, geschnitzt am Ende des Spruchbalkens, also an der Stelle wo immer Heilszeichen aufzutreten pflegen, die Rune deutlich wieder (Bild 4).

Im Ständerwerk eines Hauses in Einbeck aus dem 16. Jahrhundert findet sich neben dem Lebensbaume und den halben Sonnen die Ing-Rune und die Odal-Rune (Bild 6). Das eindrucksvolle Vorkommen ist damit nicht abzutun, daß man mit erhobenem Zeigefinger sagt: Nun beweisen Sie überhaupt erst einmal, daß es sich hier tatsächlich um eine Odal-Rune handelt!

Beide Zeichen noch einmal aus Twielenfleth im Alten Lande, um 1700 (Bild 5). Es finden sich neben verschiedenen sinnbildhaften Steinsetzungen auch hier wieder die beiden runischen Sinnbildzeichen.

Über die Bedeutung der Odal-Rune gibt es heute wohl keinen Zweifel mehr. Wolfgang Krause stellt fest, daß die Schlinge ein altes Zeichen für „Besitz“ ist, und im Neu-Dänischen findet sich tatsächlich für „Schlinge“ und „umhegtes Stück Land“ nur ein Wort (lokke). Die Tatsache, daß Hermann Wirth unter den schwedischen Felszeichnungen der Bronzezeit mehrfach die Odal-Schlinge gefunden hat, dürfte auch die alte Annahme umstoßen, daß das Zeichen erst aus dem norditalienischen o-Buchstaben den Namen othala, „ererbter Besitz“, erhalten habe. Die Rune hat bekanntlich im Beowulf den Begriff „Heimat“ gehabt, und Wilhelm Grimm übersetzt das Zeichen im angelsächsischen Runenliede ausdrücklich mit „Vaterland“.
Das Malkreuz, die Raute und die durchkreuzte Raute haben – wie uns das Brauchtum zu beweisen vermag – ihre besondere Bedeutung als Wunschzeichen für Fruchtbarkeit, für neues Leben. Selbst das „Wörterbuch des deutschen Aberglaubens“ erkennt der Raute an, daß sie Fruchtbarkeit erwünsche für Feldfrucht, Vieh und Mensch. Auch die Ing-Rune hat sichtlich gleiche Bedeutung. Raute und Ing-Rune sind vermutlich gleichen Ursprunges. Wir begegnen der Raute in ihrer typischen Form L auf dem Brakteaten von Vadstena in der Bedeutung von „ing“, ebenso auf dem Kylver Steine. M Die aus anderen Runenreihen belegte Form >< hat unzweifelhaft den Sinn von zwei Dingen, die sich zu einem Ganzen fügen, um etwas Neues entstehen zu lassen. Also kann es auch Mann und Frau bedeuten. Das mag der Grund dafür sein, daß gerade dieses Zeichen mit besonderer Vorliebe auf bürgerlichen Hochzeitsgaben auftritt.
Das kostbare Beispiel aus Osterwieck belegt ebenfalls diese Ansicht (Bild 7).

Die belegte Bedeutung der Rune „matronimicum“, geboren von, abstammend, gezeugt von, unterstreicht weiter diese Auffassung.

Eine Reihe von Aufnahmen soll die Vielseitigkeit und Eindeutigkeit aufweisen.
Um 1500 an der Alten Waage in Braunschweig entstandenes Backsteinwerk ausgesprochener Sinnbildzeichen (Bild 8).

Im Flett in Kleinpflaster des Niedersachsenhauses Anfang 18. Jahrhundert gesetzt lebt das gleiche Zeichen.

Neben der Raute erscheint immer wieder das Malzeichen, das sichtlich die Bedeutung von Vermehrung hat. In der Runenreihe heißt das in gleicher Form erscheinende Zeichen gifu, Gabe, stellt also sichtlich die Gabe dar, die den Besitz vermehrt. Aus Lichtmeß- und Fasenachtsbräuchen wissen wir nun, daß jungen Mädchen dieses Kreuz mit Ruß auf die Stirn oder Backe gemalt wird als reiner Brauch eines Fruchtbarkeits- oder Segenswunsches, und gerade das Sinnbild der durchkreuzten Raute, also des gewissermaßen malgenommenen Mutterschoßes dürfte eigentlich klar und eindeutig sein. Aus den indogermanischen Sprachen ist uns für die Raute das Wort „Lebenstüre“ belegt, und Hermann Wirth gibt für das Zeichen der durchkreuzten Raute schon für die Zeit vor rund 4000 Jahren den Begriff „Mutter“. Klarer kann eigentlich kaum ein Sinnbildbegriff geklärt werden. Das Zeichen für den lebengebenden Mutterschoß ist bei einem Volke reiner Gesittung ein zweifellos heiliges Zeichen gewesen.
Ein gutes Beispiel aus Hemmelsdorf (Schleswig-Holstein), Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut (Bild 10). Die Sinnbildform ist hier durch ausdrückliche Benennung des Feldes über dem Deelentore unterstrichen. Bis in unsere Tage heißt diese Balkensetzung „Bauerntanz“. Der kultische Begriff hat sich also erhalten.
Aus Raun im Erzgebirge ein Typ des Egerländer Hauses mit durchkreuzten Rauten und Rautenfeld, das gleichfalls als Lebenszeichen belegt ist (Bild 9).

Auch in Bücking (Oberbayern) zeigen sich im Bundwerk vom Ausgang des 18. Jahrhunderts die gleichen Sinnbilder (Bild 11).

In der Arbeit „Der Schwan als Giebelschmuck“ zeigt H. Sanne, daß in Nordflandern sehr ähnliche Schwanengiebelzeichen zu finden sind wie im Alten Lande, wenn auch stark im Verlöschen. „Die Übereinstimmung im Giebelschmuck wird uns verständlich, wenn wir erfahren, daß im 12. Jahrhundert niederländische Kolonisten, vom Erzbischof von Bremen ins Land geholt, sich im Alten Lande ansiedelten. Urkundlich ist die Besiedlung durch Holländer um 1130-1140 nachweisbar.“ Sie haben zweifellos den Schwan als Giebelzeichen mit in das Land gebracht und vor allen Dingen auch bewahrt. Eine Erscheinung, die viele Kolonisationsgebiete aufweisen. Ich möchte dabei an Siebenbürgen erinnern.

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Aus Neuenfelde im Alten Lande zeigt das Bild 12 einen typischen Giebelschwan, der gleichzeitig Träger weiterer Sinnbildformen ist – Raute, Lebensbaum und Sechsstern. Wie wir sehen werden, tragen oft auch andere Giebelzierden Sinnbilder.

Ich möchte an das Giebelzeichen als Sinnbildträger einige Beobachtungen anschließen, die weitere Schlüsse gestatten. Ich will das Zeichen herausgreifen, das in einigen Gegenden aus unvorstellbaren Gründen den Namen „Wendenknüppel“ bekommen hat – zweifellos in einer weltfremden Gelehrtenschreibstube entstanden, weil er in vielen Gegenden vorkommt, wo nie Wenden gesiedelt haben. A. Lonke-Bremen hat eine Arbeit veröffentlicht „Beiträge zur Verbreitung, Bezeichnung und Deutung der Giebelpfähle“. Er zeigt darin, daß für die Giebelpfähle der Name „Mäkeler“ verschiedentlich vorkommt. Unter „Mäkeler“, auch „Dachmeekler“, finden wir in den einschlägigen Wörterbüchern, daß der Baum, der die Bockmühlen trägt, ebenso diese Bezeichnung führt wie der Stiel, die Mittelsäule im Helme von Kirchtürmen. Dafür finden sich von 1517 aus Hamburg und von 1647 aus Bremen Belege. Saß nennt in einer Untersuchung über die Sprache der niederdeutschen Zimmerleute „Meekler“ den die Treppe tragenden Pfosten und den senkrechten Pfahl auf dem Giebel. Auch in der holländischen Provinz Groningen ist der Name „Mekelar“ für die Giebelzeichen bekannt. Es zeigt sich also, daß dieser Pfahl irgendeine ganz besondere Bedeutung haben muß, sonst hätte sich nicht der Begriff eines „Tragens“ in solcher Weise auf ihn verlagert. Was mag aber die tiefere Bedeutung sein? Sehen wir als Vergleich andere Säulen oder Pfähle an, so entdecken wir, daß über weite Landstriche verbreitet im Fachwerk, und zwar vorwiegend in Brüstungen oder in Giebeln Säulen zu finden sind, die zumeist schmucklos erscheinen, doch durch ihre Profilierung verraten, daß sie irgendeine Bedeutung haben. Es lassen sich vielfach aber Stücke nachweisen, in die Sechssterne oder andere Zeichen eingeschnitten sind, oder in die gar zwölf oder sechzehn Holznägel auf dem kreisförmigen Mittelteile eingeschlagen wurden (im Bergischen Lande), wodurch dieses sich in ein Sinnbild des Jahreslaufes verwandelt, also zu einem besonderen Sinnbildbegriffe. In der Lausitz – sogar bis nach Oberschlesien, aber auch durch Ostpreußen hindurch – finden sich Giebel, die mit Brettern verschalt sind. Diese sind sehr oft an eine Mittelrippe geschlagen, die durch besonders kunstvolle Profilierung hervorgehoben ist und durchaus diesen Pfählen gleichgesetzt werden kann. Selbst im Schieferbehange der Gegend vor dem Riesengebirge wiederholt sich dieser „Pfahl“ auf die verschiedensten Weisen. Ohne Grund sicherlich nicht, zumal vielerlei Sinnbildformen dort verbreitet sind.

Aus Nordwestfalen sehen wir einen einfachen Giebelpfahl, fälschlich „Wendelknüppel“ genannt. Der im Volke bekannte Name „Geck“ oder „Puppe“ läßt noch Zusammenhänge erkennen (Bild 14).

Aus Berghausen (Hessen) Beispiele für sinnbildgeschmückte Pfähle im Brüstungsfelde (Bild 13).

Aus Rabishau im Riesengebirge – Schiefergiebel mit der eigentümlichen Mittelsäule, die gelegentlich kunstvoll wie ein Zopf geflochten erscheint (Bild 15).

Man muß dem Worte „Makeler“ weiter nachspüren, also über die Sprachforschung einen Hinweis suchen auf das, was nun eigentlich dieser Giebelpfahl Besonderes zu tragen hat, daß er begrifflich mit jenem wuchtigen Pfahle gleichgesetzt wird, der Turmhelm oder Mühle den nötigen Halt verleiht. Das Schleswig-Holsteinische Wörterbuch bringt unter „maker“ den Hinweis zunächst auf verschiedene schwere Handwerksgeräte, besonders Hämmer. Weiter zeigt es, daß „Maker“ (auch Merker) der dicke, würfelförmige Stock ist, mit dem der Älstermann beim Karnüffelamt auf den Tisch schlug, wenn er Stille verlangte. Dieses Karnüffelamt ist ein aus Neumünster belegter Fasenachtsbrauch, in dem Mitglieder einer Vereinigung, vermutlich der Burschenschaft, miteinander kämpfen. Wir können dabei sicher an den Wettkampf zwischen Sommer und Winter denken. Nun sagt noch Frischbier, Preußisches Wörterbuch, „Mackeln“ ist eine Verkleinerungsform von machen, jedoch auch in der Bedeutung „etwas im Geheimen tun“. Besteht nun etwa die Möglichkeit, daß mit dem Setzen des Makelers etwas Geheimes getan wurde? Die Frage können wir vielleicht beantworten, wenn wir wirklich alte Gipfelpfähle untersuchen, also möglichst Beispiele, die aus dem noch überlieferungsstärkeren 18. Jahrhundert stammen. Zwei solcher Prachtstücke habe ich bisher prüfen könne. Das eine befindet sich im Vaterländischen Museum in Hannover. Es zeigt das DagZeichen und die Raute. Das andere Stück stammt aus Borstel im Kreise Stendal und ist ins Museum Stendal gekommen. Es weist auf: Malzeichen, Dag-Zeichen, Sonne, durchkreuzte Raute und Ing-Rune. Hier hat man also etwas „im Geheimen getan“, man hat nämlich die uralten Sinnzeichen, die „starren Sinnbilder“ da angebracht, wo sie Segen auf das Haus herabwünschten. So wurde zwangsläufig der schlanke Eichenpfahl zum „Makeler“, zum Träger größter Kraft. Wir aber stehen wieder einmal vor der Erkenntnis, wie tief das Sinnbildwissen im Brauchtum unseres Volkes verwurzelt war. Wir erkennen aber auch, wie arm wir geworden sind durch die Entfremdung von diesen volkhaften Werten, daß wir heute nur durch ein so mühevolles Zusammensetzspiel uns diese Beweise herbeischaffen können, um den geistreichelnden Menschen unserer Zeit beweisen zu können, daß unseren Ahnen diese Dinge hochbedeutend waren. Für uns aber stellen sie heute wieder kostbares Ahnenerbe dar.

Scheltema hat den schönen Satz geprägt: „Aber nur auf dem Wege denkender Betrachtung und bescheidenen Fragens wird sich dieses Wunder allmählich enthüllen, und nicht demjenigen, der sich ihm mit lautem Pathos nähert oder gar seine persönliche Wunderlichkeit unterschiebt.“ In diesem Sinne müssen wir forschen.

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Anmerkung:

 
Die Bildangaben beziehen sich auf die Printausgabe der Nordischen Zeitung, die ander Bilder enthält!